Die jüngsten und schönsten Frauen, Kaninchen genannt, sind Versuchsobjekte für die verschie­densten Untersuchungen: Knochen-, Muskel­und Nerventransplantationen, welche die armen Opfer, meist Polinnen aus Warschau , für den Rest ihres Lebens zum Krüppel machen.

Im Revier des Ausrottungslagers Ravensbrück, ,, Jugendlager" genannt, weil ehemals hier die Hitlerjugend untergebracht war, kommt es vor, daß, nach etlichen Tagen ohne Pflege, dieselbe Schwester, die eben noch grausame Schläge aus­teilte, mit süßlichem Lächeln den stöhnenden Kranken ein weißes ,, Beruhigungspulver" reicht. Herzzerreißende Szenen spielen sich dann ab, wenn das Opfer begreift, daß das eben einge­nommene Medikament andere Leidensgefährtin­nen für immer erlöst hat. Fälle von Wahnsinn sind keine Seltenheit.

In andern Abteilungen, z. B. ZWODAU, werden dieselben Verbrechen verübt. Versuche mit neuartigen Spritzen, die ernste Störungen hervorrufen, wie Blutstürze, Erbrechen, Eite­rungen und Herzschwäche, werden hier gemacht.

Der Kommandant von ZWODAU läßt die kranken Frauen unter die Dusche gehen und an­schließend bei dreißig Grad Kälte nackt um das Lager laufen. Diese Strafmethoden werden eben­falls in den Lagern Neubrandenburg und Mark­leiberg, acht Kilometer von Leipzig entfernt, angewandt.

In MENSCHEL, wo die Gefangenen Flug­zeugflügel herstellen- liegen die Schlafsäle direkt neben dem Maschinenraum; dort laufen die Apparate Tag und Nacht. Sie leiden so grausam Hunger, daß sie Gras und Blätter zu sich neh­men, wenn es gelingt, sich solche zu verschaffen. Der Gebrauch von Messern ist untersagt, da man Sabotage fürchtet. Manchmal wird sogar der Löffel beschlagnahmt und man muß die Suppe aus dem Napf schlürfen.

In ABTERODA schlafen die Frauen drei Wochen lang auf dem nackten Zementboden, ohne Heizung und müssen sich ohne Löffel und sogar ohne Napf behelfen.

In BELZIG , wo hundertzwanzig Französin­nen Maschinengewehrkugeln herstellen, fehlt jegliche Hygiene und ärztliche Betreuung. Die Gefangenen dürfen ihre Wäsche nur alle vier Monate wechseln.

KÖNIGSBERG / ODER ist sicherlich die schlimmste aller Zweigstellen von Ravensbrück , welches im Vergleich dazu fast wie ein Paradies anmutet. Dort arbeiten neunhundert Frauen, darunter etwa zweihundertfünfzig Französin­

nen, an der Nivellierung eines Flugplatzes bei einer Kälte, die oft fünfundzwanzig Grad er­reicht. Sie müssen täglich neunzehn Waggons aus­und einladen, unter beständigen Schlägen und Be­leidigungen der weiblichen SS- Offiziere. Nachts kehren sie erst zurück, oft mit Toten. Die Nah­rung ist ekelerregend und unzureichend. Sie müssen ohne Decken schlafen und sind in einem Maße mit Ungeziefer behaftet, daß sie den Sonntag, wenn sie darüber disponieren dürfen, damit verbringen, die Flöhe zu Hunderten zu töten. Furchtbare Epidemien sind die natürliche Folge.

Es scheint, daß in Ravensbrück die Nazi­Organisation das Höchstmaß an menschlicher Ausnutzung erreicht hat! Die Schwächsten unter den Gefangenen müssen völlig verschmutzte, übel riechende Kleidungsstücke zertrennen, welche wieder aufgearbeitet und für die Wehr­ macht verwendet werden. Für die älteren Frauen wird sogar eine Strickabteilung eingerichtet. Ein sehr erhebliches Mindestmaß wird täglich ver­langt.

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Mutig verweigern die Gefangenen bei ihrer Ankunft die Arbeit für die deutsche Kriegs­industrie aufgrund ihrer politischen Einstel­lung. Doch vergebens! Die Parole lautet: ,, Wer nicht arbeitet, braucht auch nicht zu essen." Die anständiger Denkenden unter den Zimmerauf­sehern, welche sich gleichfalls dagegen auflehnen wollen, verschwinden mit den ,, schwarzen Transporten", von denen es keine Wiederkehr mehr gibt. Man fügt sich also. Man streikt mit Vorsicht, man sabotiert auf erfinderische Art und Weise. Doch wehe dem, der sich fassen läßt!

Regelmäßig finden Appelle statt, bei welchen die Nazi- Ärzte, je nach Laune, ihre Auswahl für die Gaskammer treffen oder denjenigen, welche sich schwach fühlen, krank oder alt sind, die Herzspritze verordnen. Aber die Gefangenen treffen ihre Maßnahmen im Voraus. Manchen gelingt es, ihre weißen Haare zu färben und ihre bleichen Wangen zu schminken. Die Unglück­seligen, auf welche das Los fällt, flehen ihre Mör­der an: ,, Aber ich bin kräftig, ich kann noch arbeiten. Verwendet mich doch!...."

Als der russische Vormarsch nahte, erfolgte eine panikartige Evakuierung. Wer sich nicht evakuieren lassen wollte und sich nicht verstek­ken konnte, wurde auf der Stelle niedergeschos­sen. Während innerhalb der beklagenswerten Karawanen auf dem Marsch nach anderen Etap­pen die Sterbefälle ungeheuere Zahlen erreichten, brachten die ersten russischen Soldaten Medika­mente, richteten Duschen ein und erlaubten, daß in den benachbarten Bauernhöfen Lebens­mittel organisiert wurden. Die französischen Gaullistinnen wurden wie Offiziere behandelt.

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