ligendwo irren sie herum,

In einer anderen Welt,

Und ich weiß nichts von ihnen nichts!

Man sagt, es regnet,

Und sie müssen frieren...

Louis MASTE

( Pseudonym von Pierre SEGHERS ) ,, Le Beau Travail."

RAVENSBRUCK

Das Lager der Frauen! Gewiß gab es Frauen

in allen Lagern! Gewiß war wohl Ausschwitz, welches Hunderttausende aufgenommen hat, das Schrecklichste und Grausamste, wenn eine Stei­gerung des Grauens von einer gewissen Grenze an überhaupt noch möglich wäre! Doch Ravens­ brück war das offizielle Deportierungslager für Frauen. Über hunderttausend Frauen aller Na­tionen( darunter sieben- bis achttausend Fran­zösinnen), sind durch dieses Lager gegangen, ungerechnet seiner zahlreichen Zweigstellen.

Achtzig Kilometer nördlich von Berlin , in sumpfiger Gegend, reihen sich die Häuserblocks aneinander. Der mit Schlacken durchsetzte san­dige Boden bildet den häßlichen schwarzen Staub, der alles bedeckt- Menschen und Dinge. In den vor Schmutz starrenden und von Ungeziefer wimmelnden Baracken verfügen die Gefangenen nur über eine einzige Decke zu zweit.

Um 3.30 Uhr morgens wird geweckt: eine halbe Stunde zum Anziehen, ein einziger Was­serhahn für Hunderte von Frauen. Um sich sau­ber zu halten, muß man nach einem arbeits­reichen Tage in der Nacht aufstehen, ständig in Gefahr, erwischt zu werden. Von 4 bis 6.30 Uhr ist Appell im Stillgestanden. Diejenigen, welche ohnmächtig werden, bleiben unbeachtet liegen. In anderen Kommandos belebt man sie mit Fuß­tritten oder übergießt sie mit Eiswasser bei 25 bis 30 Grad Kälte.

Die Nahrung ist ungenügend, die Suppe zu dünn, das widerliche Küchenpersonal nimmt das Beste vorher für sich.

Um ihre Nahrung entgegenzunehmen, sind die Gefangenen oft besonderen Demütigungen ausgesetzt: Aufstellung hundertfünfzig Meter von dem Suppenkessel entfernt, sodann heran­kriechen, abschwenken und auf einem Bein wie­der zurückhumpeln.( Diese auscheulichen Anord­nungen werden übrigens in zahlreichen Männer­und Frauenlagern getroffen.)

Die Disziplin der Blockwarte oder Zimmer­aufseherinnen, meist Polinnen, sowie der weib­lichen Offiziere oder SS- Wärterinnen, ist grau­sam. Abgesehen von den Ohrfeigen, welche am laufenden Band verabreicht werden, sind Faust­und Riemenschläge an der Tagesordnung. Die Hunde läßt man ohne Grund, zum Vergnügen, auf die Gefangenen los. Eine internationale Kommission, welche das Lager im Mai 1944 be­suchte, hat die Hunde angeblich entfernen lassen und ihre Hütten verbrannt; neu eingetroffene Gefangene berichten jedoch immer wieder von Bluthunden.

Für das kleinste Vergehen werden die Gefan­genen in die Strafbaracken geschickt, von Zigeu­nern mit unbeschreiblicher Brutalität überwacht. Hier, wo trotz des rauhen Klimas die Fenster­scheiben fehlen, wird die noch unwürdigere Nahrung in ungespülten Schüsseln ausgeteilt.

Aber die größte Schande von Ravensbrück ist wahrscheinlich das ,, Revier", dessen Inspektion der Kommission im Mai 1944 vorenthalten wurde. Dort herrschen Typhus, offene Tuber­kulose, Rose. Sind die Schwestern einigermaßen angenehm, so mag es noch gehen, wenn auch kaum Medikamente vorhanden sind. Doch wenn sie bösartig sind, mißhandeln sie die Patienten. Es ist vorgekommen, daß eine Typhuskranke mit ihrem eigenen Auswurf besudelt, und eine andere durch den Korridor bis zum Haufen der Toten gezerrt wurde, da es zu lange dauerte, bis die Sterbenden ihren letzten Atemzug taten.

In der chirurgischen Abteilung werden Ein­griffe aller Art ohne örtliche Betäubung vorge­nommen. Männer werden kastriert und Sterili­sationen finden am laufenden Band an Frauen zwischen siebzehn und fünfundvierzig Jahren statt, ja sogar an ganzen Transporten kleiner Jüdinnen oder Zigeunerinnen: drei Radium­Bestrahlungen von je zwei Minuten auf jeden Eierstock.

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