In der ersten Zeit hörte ich Frau Schwertfeger, die im Bett unter mir schlief, halbe Nächte hindurch schluchzen. Nach einigen Monaten wurde sie Stubenälteste auf Block 12. Nun hatte sie viel herumzulaufen und andere zu betreuen. Sie erholte sich sichtlich. Wenn sie mich sah, rief sie mir zu:Ich bin politisch umgeschult!

Es gab einen anderen, ähnlichen, sehr häßlichen Ausdruck für all die vielen unglücklichen jungen Frauen, die der Homosexualität verfielen. Manche vertierten förmlich. Widerlich anzusehen war es, wie die hörigen Frauen zu den einen süßlich, zu den anderen gemein waren. Für einen großen Teil der Frauen bedeutete das K.Z. nicht nur eine Vernichtungs- stätte des Körpers, sondern auch der Seele. Aber es kam immer auf die Betreffenden selbst an und hing außerdem von vielen Begleitum- ständen ab.

Viele der Frauen im K.Z. waren mit Mutterkreuz und allen Ehren aus- gezeichnet. Die Reichsfrauenführerin Scholtz-Klink besuchte ein- mal mit mehreren Begleiterinnen das Lager, sah sich die mit Blumen um- pflanzten Wohn- und Werkbaracken von außen an, aber dachte nicht daran, irgendwelche Maßnahmen zur Abstellung dieser Kulturschande zu treffen. Es hatte auch niemand die Möglichkeit, sie zu sprechen.

Tatsache ist, daß die Parteigrößen, von denen jede mit einer Camarilla

umgeben war, sich gegenseitig mißtrauten und überwachten. Im Gegensatz -u der Propaganda, die sie für sich und ihre Arbeit machten, stelltn sie selbst das Unsozialste dar, was sich denken läßt, da der ganze Partei- apparat von Verschwörern aufgebaut, gehalten und immer wieder gestützt wurde, wenn die Brüchigkeit seiner Moral offen zutage trat.

Um aber der politischen Heuchelei vorzubeugen, möchte ich die Frage aufwerfen, ob das nicht mehr oder weniger überall dort der Fall ist, wo aus Machtliebe etwas unternommen wird, anstatt aus Liebesmacht!

Wir hatten im K.Z. auch viele Frauen, die zu den 200 Opfern der Heßaktion zählten, d. h. als Anhänger von Rudolf Heß verhaftet worden waren, gleichzeitig aber auch solche, die in den Tagen der Heß- Si Flucht durch eine einzige kleine Bemerkung zu erkennen gegeben hatten, daß sie die Aufrichtigkeit der Regierung und Führung anzweifelten, mit anderen Worten, daß sie den großen Volks- und Menschheitsbetrug- durchschauten und voraussahen, daß die Köpenickiade mit einer furcht- baren Katastrophe enden würde.=

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