Liebes Muttchen!

Noch nie ist mir das Schreiben so schwer geworden, wie bei diesem, meinem letzten Brief an Dich. Ich muß Deinem Mutterherzen einen sehr großen Schmerz be­reiten und habe Dir so bitterwenig Trostreiches zu sagen. Aber dieser Brief muß geschrieben werden, denn ich stehe tief in Deiner Schuld und muß mich für unendlich viel bei Dir bedanken.

Am 24. Oktober bin ich vom 1. Senat des Volksgerichts­hofes zum Tode verurteilt worden. Wie es dazu kam, wirst Du wahrscheinlich schon erfahren haben. Die ein­zige Beruhigung für mich ist, daß Du an Hertha so viel Freude erlebst, wie ich Dir Kummer bereitet habe. Sie hat Dir Enkelkinder gegeben, in denen Du etwas Glück finden wirst. Ihr dürft überzeugt sein, daß alle meine Gedanken und zärtlichsten Gefühle bis zum Schluß Euch gehören, meine Lieben. Es ist mein sehnlichster Wunsch, daß Ihr, und vor allem Du, mein Muttchen, Euch durch meinen Tod nicht allzusehr betrüben laßt. Haltet Eure Herzen offen für jedes bißchen Freude und Glück, das Euch das Leben noch bieten mag. Denk an Deine Enkelkinder, Mutt­chen, sei ihnen allzeit eine gute und fröhliche Großmutter. Noch einmal sage ich Dir, Muttchen, Dir gehört all meine Liebe und Dankbarkeit.

Liebe Mutter! Nur noch eine Stunde, dann ist es über­standen. Es ist heute Dein Geburtstag, und ich bin froh, daẞ Du es heute noch nicht erfährst. Ich bin vollständig gefaßt und bitte Dich nur noch einmal, nimm auch Du es nicht zu schwer. Alles, was ich Dir zu sagen habe, ist bereits gesagt oder kann hier nicht gesagt werden.

Seid alle, meine Lieben, noch einmals aufs innigste be­dankt für Eure Liebe. Verzeiht mir allen Kummer, den ich Euch bereitet habe.

Ich grüße und küsse Euch zum letzten Male

Herbert

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