Brandenburg , den 24. Oktober 1944

Lieber Vater, Geschwister, Schwägerin und Friedel!

Die Stunde des Abschieds ist nun für mich gekommen. Ich habe in der Zeit meiner Haft wohl alles durchgemacht, was ein Mensch durchmachen kann. Krankheit, körper­liche und seelische Qualen, nichts ist mir erspart ge­blieben. Ich hätte so gerne gemeinsam mit Euch, mit meinen Freunden und Sportkameraden die Köstlichkeiten und Annehmlichkeiten, die das Leben nach dem Kriege zu bieten hat und die ich jetzt doppelt zu schätzen weiß, verlebt. Es waren so schöne Stunden, die ich mit Euch verbrachte.

Das Schicksal hat es nun leider nach furchtbarer Leidenszeit anders über mich bestimmt. Ich weiß aber, daß ich in Euren Herzen und dem vieler Sportkameraden einen Platz gefunden habe, den ich immer darin be­haupten werde.

Dieses Bewußtsein macht mich stolz und stark und wird mich in der letzten Stunde nicht schwächer finden.

Lieber Vater! Leider kann ich Dir diesen Schmerz nicht ersparen, nachdem ich Dir durch meine sportlichen Er­folge recht viel Freude gemacht habe.

Also, lebt wohl! Ich weiß, Ihr werdet mich nicht ver­gessen. Grüßt nun bitte alle Bekannten und Sportkame­raden recht herzlich. Lebt alle, alle wohl!

Euer

Werner Seelenbinder

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