Lieber Kamerad Willil
Bitte die schlechte Schrift zu entschuldigen, aber es geht nicht anders. Ich bin gefesselt— ein 5 Minuten vor Zwölf Stehender. Ich möchte Dich bitten, Dich an ein Ge- spräch zu erinnern, das wir beide einmal führten. Du sagtest, wenn es mir schlecht gehen sollte, könnte ich Deine Hilfe in Anspruch nehmen. Nun ist heute der Zeit- punkt eingetreten. Heute an dem Tage, an dem die„Ver- treter des Volkes’ mich zum Tode verurteilt haben, sind meine Gedanken nicht nur bei Euch allen, die vielleicht
. noch einmal die Vollendung sehen dessen, was wir uns
erträumt haben, sondern es gehen auch andere Gedanken in mir herum. Kurz— es ist die Sorge um meinen Klaus. Ich bitte Dich nun, wenn es Dir möglich ist, die Erziehung meines Jungen etwas zu unterstützen. Sollten sich beson- ders gute Anlagen bei ihm finden, so bitte ich Dich, diese fördern zu helfen. Es ist mein letzter Wunsch. Wenn ich die Gewißheit habe, daß er das später verwirklichen helfen kann, was ich mir als Lebensaufgabe gestellt habe, so will ich mit dem Bewußtsein zum Schafott gehen, zu meinem Teil das getan zu haben, was gut und gerecht war.
In der Hoffnung dessen, daß ich und meine Kameraden die letzten Opfer dieses Systems geworden sind, grüße ich Dich und die Freunde alle und möchte Euch zurufen:
„Nicht an unseren Gräbern zu weinen seid Ihr da, son- dern von unseren Gräbern sollt Ihr den Glauben und die Stärke für das Große und Gerechte unserer Sache mit heimtragen für eine bessere und schönere Zukunft.”
Dank und Gruß Dir als Letztes Paul
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