Du meine liebe Frau, mein guter Kamerad!
Und Ihr, meine geliebten Eltern, liebe Geschwister!
Die letzte Stunde meines Lebens ist angebrochen. Leider hat man mir wenig Zeit für diese Abschiedszeilen gelassen, aber die Fesseln. Dazu ein stumpfer Blei- stift, so daß das Schreiben recht schwer ist. So muß ich das Viele, das ich gern noch in einigen Stunden zu Euch gesagt hätte, in wenige Worte zu fassen suchen. Es ist gut, das alles Wesentliche bereits in unseren letzten Briefen enthalten war, so daß ich das alles nicht noch einmal zu wiederholen brauche.
Vor mir liegen Eure so lieben Abschiedsbriefe, vor mir liegt Dein Bild, mein liebes Weib, das ich bis zur letzten Minute vor Augen haben werde. Vor meinen Augen steht auch Ihr alle, meine Lieben.
Vor meinem Geist aber steht vor allem bis zu meinem Verlöschen das Schöne und Große, was mir mein Leben wertvoll gemacht hat, stehen alle Lieben, die mit mir in den letzten Jahren so eng verbunden waren.
Dir, mein gutes Kerlchen, will ich vor allem noch sagen, daß Deine ganze Größe noch nie so stark zu mir gesprochen hat, wie in wachsendem Maße aus Deinen letzten Briefen, aus denen ich die frohe Gewißheit mit- nehmen kann, daß Du Dich aus dem niederschmetternden Schlag, der Dich jetzt trifft, wieder zu einem neuen Leben, zu neuer Kraft, Gutes zu wirken, zurückfinden wirst. Wenn es auch noch so schwer wird, ich weiß, Du wirst es um meinetwillen schaffen. Das ist das Schönste, was ich aus Deinem Brief entnehmen kann, der so ganz aus unserem gemeinsamen Geist heraus geschrieben ist.
Das ist es auch, was den Tod leicht macht, bei allem Bedauern darüber, daß noch so vieles ungetan bleibt. Nämlich das Wissen, daß das Wertvolle, das ich wirken konnte, bleibt— nicht nur-in Eurem Gedächtnis, sondern als weiterwirkendes Tun.


