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Meine Teuren!

Tarnopol , den 7. April 1943

Bevor ich von dieser Welt gehe, will ich Euch, meine Liebsten, einige Zeilen hinterlassen. Wenn Euch einmal dieses Schreiben erreichen wird, sind ich und wir alle nicht mehr da. Unser Ende naht. Man spürt es, man weiß es. Wir sind alle, genau so, wie die schon hingerichteten unschuldigen, wehrlosen Juden, zum Tode verurteilt. Der kleine Rest, der vom Massenmorden noch zurückgeblieben ist, kommt in der allernächsten Zeit an die Reihe. Es gibt für uns keinen Ausweg, diesem grauenvollen fürchter­lichen Tode zu entrinnen.

Gleich am Anfang( im Juni 1941) wurden ca. 5000 Män­ner umgebracht, darunter auch mein Mann. Nach sechs Wochen habe ich nach fünf Tagen langen Herumsuchens unter den Leichen( die vor der Ziegelei umgebracht und von dort nach dem Friedhof geschafft wurden) auch seine gefunden. Seit diesem Tage hat das Leben für mich auf­gehört. Ich habe mir einst selbst in meinen Mädchen­träumen keinen besseren und treueren Lebensgefährten wünschen können. Es waren mir nur zwei Jahre und zwei Monate vergönnt, glücklich zu sein. Und nun? Müde vom vielen Leichensuchen, war man ,, froh", auch seine gefunden zu haben, kann man diese Qualen in Worte kleiden?

.. David ist ,, erledigt". Ach, wie gut geht es ihm schon. Er hat alles hinter sich. Uns erwartet noch die Todes­kugel. Am 31. August begann die große Aktion. Damals verloren wir unsere geliebte, gute, aufopfernde Mutter. Man brauchte 3000 Opfer. Es handelte sich damals wieder um einen neuen Trick. Die arbeitenden Personen und deren Familien bekamen spezielle Stempel von der Polizei in ihren Arbeitsdokumenten und sollten angeblich von dieser Aktion befreit sein. Es sollte sich wieder, wie im März, um nicht arbeitsfähige Leute und Kinder handeln. Wieder suchten unsere eigenen jüdischen Ordnungs­männer in den Wohnungen und Verstecken ihre Todes­opfer. Bubi und ich gingen zur Arbeit. Mama und Papa blieben zu Hause. Sie hatten ja doch die ,, Lebens­

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