Meine lieben Eltern und Geschwister!

Wenn Euch diese Zeilen erreichen, befindet sich meine Seele bereits auf der großen Reise. Ich weiß, daß ich mit diesem Brief zu keinem Trost beitragen kann. Nehmt es nicht schwerer als ich. Die Zeit wird die beste Trösterin sein. Schaut, ich verliere nichts als ein unerträgliches Sklavendasein. Leben in der Freiheit war mir der höchste Begriff.

Wenn man mir die bürgerlichen Ehrenrechte absprach, so habe ich Euch dazu zu sagen: Meiner Handlungsweise. lag meine Weltanschauung zugrunde, nicht aber persön- liche Vorteile. Ich habe andere Begriffe, Ihr müßt das verstehen.

Glücklich derjenige, welcher in der Gewißheit stirbt, mit seinem Leben und Sterben einen Menschheitszweck erfüllt zu haben. Darum, liebe Mutter, so hart das schei- nen mag, es muß ertragen werden. Möge Euch Euer Wille immer die Ziele erreichen lassen, die Ihr erstrebt, Schwe- ster und Brüder. Vater, Du hattest tausendmal recht, wenn Du mir sagtest: Arbeiten, nichts als arbeiten! Wenn es keine produktive Arbeit im üblichen Sinne sein konnte, so doch wenigstens eine an mir selbst. Und die besten Tage meines Lebens waren die, die ich in diesem Sinne erfüllte. Das kann ich heute ruhig sagen.

Nun habe ich noch eine Stunde. Ich denke an Euch mit dankbarem Herzen. Stein sagte einmal:

Weil wir sterben müssen, wollen wir tapfer sein.

So will ich's halten.

Die letzte Stunde soll mich nicht weniger tapfer sehen als die, die einst riefen:Allons'.

Lebt wohl, liebe Eltern und Geschwister