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Berlin- Plötzensee, den 4. November 1937

Mein braver kleiner Kamerad!

Weine nicht, sei stark. Du warst meine tapfere Kame­radin, meine liebe gute Lebensgefährtin. Wie lieb hatten. wir uns, wie reich war der Inhalt unseres Bundes, wie schön unser Gleichschritt. Nun fordert das Schicksal meinen Tod, aber für Dich werde ich weiterleben. Denk darum nicht an meinen Tod, denke an mein Leben. Dann wirst Du erkennen, daß Du Deine ganze Kraft nicht in Trauer um mich einsetzen mußt, sondern im Willen zum Leben, damit ich in Dir weiterlebe, für Dich, für die Eltern und alle meine Lieben. Ich weiß, daß Du tapfer bist. Doch sei auch so ruhig und gefaßt, wie ich dem Tode entgegen­gehe. In meiner Überzeugung ruhend, von dem Bewußt­sein getragen, nach bestem Bemühen und Können als Mensch meine Pflicht getan zu haben, finde ich Ruhe.

Nimm Dein Herz in feste Hände, schreite weiter auf dem Wege, auf dem wir in unserem Lebensbunde so glücklich waren. Ich habe in meinem Leben gekämpft, gerungen und gehofft. Leben, kämpfen und hoffen muß der Mensch. Richte Deinen Blick vorwärts. Du bist noch jung, Du darfst noch das Ziel einer glücklichen Mensch­heit erleben.

Grüße alle, die uns wohl gesinnt waren, die uns Freunde waren. Nimm aus glühenden Herzen meinen Gruß.

Dein Robert

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