Liebe Käthe!

Wenn Du diesen Brief erhältst, bin ich nicht mehr am Leben. In einer halben Stunde hat dieses Herz aufgehört zu schlagen.

Wir sterben, wie wir gekämpft haben! Vergeßt uns nicht! Vergeßt uns nicht!

Aus seinem Tagebuch:

Euer Bruno

Ich will versuchen, meine Gedanken und Gefühle wäh­rend der Urteilsverkündung und den Wochen darauf zu schildern. Ich war schon ziemlich auf das Schlimmste vorbereitet, ebenso wie die anderen. Deshalb konnte ich mich bei der Urteilsverkündung auch so gut beherrschen. Erschwert wurde es mir ungemein dadurch, daß ich mich von meiner Mutter, die mich vorher besuchte, sehr innig verabschiedete. Ich habe bei der Verkündung nur ein starkes Rauschen verspürt, und da hindurch drang laut die Stimme des Richters.

Nur einmal wäre es beinahe mit meiner Fassung vor­bei gewesen, als ich das Weinen meiner Mutter heraus­hörte. Ich riß mich aber zusammen, denn ich hatte mir geschworen, den Leuten, die ja nur darauf lauerten, kein Schauspiel zu bieten.

Der große Umschwung in meiner Stimmung kam erst ein paar Tage später, als die richtige Überlegung wieder­kehrte. Als ich mir vorstellte, daß ich erst 20 Jahre alt bin, wirklich nichts getan hatte und dennoch zum Tode verurteilt wurde. Ich möchte wissen, wie sich das Ge­wissen der SA- Leute, die mich durch ihre Aussagen hin­einrissen, bemerkbar machte. Und wie sie geschlafen haben, nachdem sie sich überlegt hatten, daß sie jetzt ein Menschenleben auf dem Gewissen haben.

Für mich ist es ein Trost, zu wissen, daß, wenn ich hin­gerichtet werde, ich in der Arbeiterschaft nicht vergessen bin. Aber wenn ich mir vorstelle, wie meine liebe Mutter jetzt leiden und bangen wird, dann könnte ich wild werden.

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