Und nun ist er hier! Franz— seinen bürgerlichen Namen erfuhr ich erst Monate nach seinem Tode— war Bezirksleiter der Gewerkschaftsorganisation RGO. Von Beruf Schneider, klein, behend, mit rundlichem Gesicht, Berliner , etwa 30 Jahre alt, war er unser bester Instruk- teur. Stundenlang hatten wir auf Treffs im Walde oder in einer Genossenwohnung den Neuaufbau unserer Orga- nisation diskutiert. Die Partei lebte damals trotz schwer- ster Nackenschläge in einem Taumel von Optimismus.
„Wir haben uns in allernächster Zeit auf große Aus- einandersetzungen vorzubereiten. Wir müssen daher an den Aufbau illegaler Massenorganisationen gehen und sie zum aktiven Kampf führen, um so die Voraussetzungen zum Sturz Hitlers zu schaffen.‘ So hatte Oskar mir den Parteistandpunkt auseinandergesetzt. Das war kurz vor der Röhm-Revolte.;
„Was nützt das schöne Bild, das du mir entwirfst, Genosse, so hatte ich eingewandt,„wenn die Wirklich- keit anders aussieht? Geh hinaus in die Betriebe und sieh dich um! Bei Phönix, bei Rheinmetall, bei Mannes- mann haben wir kleine Grüppchen von höchstens zwanzig bis dreißig Aktivisten, und diese Aktivisten verteilen sich noch auf die verschiedensten illegalen Organisationen. Wo sind denn die Massen, die du zum Kampf führen willst? Ich sehe nur passive, indifferente Arbeiter, die zu irgendwelchen Widerstandshandlungen nicht zu be- wegen sind. Bauen wir lieber eine Organisation auf aus wenigen aktiven Kadern und arbeiten wir auf lange Sicht. Dann können wir auch arbeiten!“
Meine Einwände hatten nicht gefruchtet. Die Fiktion eines baldigen Volksaufstandes gegen die Nationalsoziaii- sten beherrschte das Denken unserer führenden Funk- tionäre.
‘Voll Erbitterung war ich zu Franz gelaufen und hatte ihm meine Ansichten entwickelt.„Franz, ich befürchte, wir betrügen uns: selbst. Dein Vorgänger Erwin hatte
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