tionslager Auschwitz , und die Seiltänzer die täglich im Mor­gengrauen marschierenden Frauenkolonnen in unüberseh­baren Fünferreihen verschiedener Nationalitäten, Klassen, Rassen und Altersstufen.

In aufrechter, strammer Haltung, die Blicke aufmerksam geradeaus gerichtet, den linken Fuß sorgfältig dem Marsch­tempo der Trommel und dem Kommando: ,, Links, links, links und links!" angleichend, das die übereifrigen Vorarbeiterinnen unentwegt wiederholten, marschierten sie Tag um Tag in Reih und Glied. Das war kein gewöhnlicher Fußmarsch, der einem inzwischen zur täglichen Gewohnheit hätte werden können, nein, das war unser täglicher, großer, kollektiver Salto mor­tale. Die geringste Unachtsamkeit, eine momentane Erschöp­fung, eine augenblickliche Furcht oder ein plötzlicher seeli­scher Zusammenbruch genügte, um den Seiltänzer zu Fall zu bringen und ihn in den Abgrund zu stürzen.

Sobald das Tor hinter uns lag, das dröhnende Getrommel und das Zittern der Mandolinen verhallte, trat eine vorüber­gehende Entspannung ein: das Tor hatte man glücklich pas­siert!... Die für gewöhnlich im graubeigenen Auto stehende Reklameschönheit, die Lagerkommandantin ,,, Aufseherin" Mandel, war mal nicht herausgesprungen, um mit ihrem in Glacéhandschuhen steckenden Händchen jemanden ins Gesicht oder auf den Kopf zu schlagen. Die Aufseherin Dreschler, die die Füße und Knöpfe kontrollierte, hatte heute mal nicht das geringste auszusetzen. Der Schrecken des Lagers, Tauber, stand mit gekreuzten Armen, in napoleonischer Haltung da, ohne daß er wie der Blitz den Gummiknüppel zur Hand hatte, um dreinzuschlagen.

Ein herrlicher Morgen, die aufgehende Sonne taucht den Him­mel in rosarotes Licht, und die Tauperlen auf den Feldern glitzern wie Silber. Links am Horizont zeichnen sich Gebirgs­

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