war und mir über ihre Reiseeindrücke berichtet hatte. Dieses Arztehepaar hatte alle bekannten, modernen Säuglingsheime Europas besichtigt. Voller Anerkennung und Begeisterung äußerte sie sich über die deutschen Kinderheime und Er­ziehungsstätten. Unter anderem erzählte sie mir von ihren Beobachtungen in einem deutschen Gebirgsort, wo sich ihr das Bild eines Morgenspazierganges der Säuglinge besonders eingeprägt hatte.

Ein langer Zug von Hunderten von Kinderwagen, in denen gepflegte, rosige, pausbäckige Säuglinge lagen, bewegte sich auf einer Gebirgsstraße entlang zum Sonnenbad auf die Berge. Und wie anders war dieser Zug, den ich erleben mußte! Aber wieso denn, diese leeren Wagen waren gewiß für irgendwelche modernen Kinderheime, für die Kinder ,, der auserwählten Rasse" bestimmt.

Während dieser Zeit war der leitende Arzt, Dr. Mendele, Spezialist für Rassenkunde. Außerdem beschäftigte er sich mit medizinischen Untersuchungen auf dem Gebiet der Zwil­lingsforschung. Und wiederum wimmelte es in unserem Lager von Kindern. Von jedem Transport wurden die Zwillinge abgesondert und in einem besonderen Spitalblock unterge­bracht. In der Nähe dieses Blocks war ich mit dem Pflastern eines Weges beschäftigt, und so hatte ich Gelegenheit, die reizend anzusehenden Zwillinge, ungarische Kinder, die sich oft wie zwei Wassertropfen ähnelten, zu beobachten. Zum Glück ahnten diese armen ,, Kaninchen" nichts von ihrem Schicksal, sorglos vergnügten sich die Kinder bei Spiel und Gesang. Als Auschwitz schon lange hinter mir lag, sah ich diese frohe, glückliche Kinderschar noch vor mir und die Melo­die eines Kinderliedchens klang in mir nach, die ich am Vor­

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