SINTFLUT

Regen ist zweifellos eine segensreiche und sehr nutzbringende Erscheinung. Regen bereitet sogar Vergnügen und Wohlbeha­gen, wenn man im wetterfesten Mantel, die Hände in den Taschen, so dahin wandert und ein Glühen im Herzen Ruhe findet.

Regen in Auschwitz aber ist eine Katastrophe. Nach einem mehrstündigen, verzweiflungsvollen Fußmarsch durch auf­geweichten Lehmboden werden die Holzpantoffeln zur qual­vollen Last und hängen wie zwei schwere Steine an den Fü­Ben. Kleid und Wäsche saugen sich am Körper fest wie die ekelerregende, schlüpfrige Haut eines riesenhaften Reptils; vom Kopftuch rinnt das Wasser unaufhörlich über das Ge­sicht und verursacht unerträgliches Kitzeln.

So war es in der zweiten Julihälfte, als der Himmel seine Schleusen öffnete und der Regen einige Tage und Nächte in ununterbrochenen Strömen niederging. Tag für Tag, im Mor­gengrauen, während des Appells, betrachteten wir mit der­selben Hartnäckigkeit den Himmel, nach einem Hoffnungs­strahl, nach einem winzigen blauen Streifen suchend, der uns die ersehnte Aufhellung des Wetters ankünden würde. Doch vergebens, hoffnungslos. Graue, schwere Wolken hingen stän­dig über uns, und ein Grauen begann sich unser zu bemäch­tigen.

Und gerade in jenen Tagen erzählte eine aus unserem Kreise, daß dieser Regen nie aufhören werde, wie sie in einer Pro­phezeiung kurz vor ihrer Verhaftung gelesen habe: ,, Ein

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