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muß es sein, es muß wieder Licht auf der Erde werden, die Schatten sollen weichen, die Wahrheit soll und muß wieder Geltung haben. In Baracken ohne Heizung hausen 2500 Menschen, welche das Verbrechen begingen, keine Anbeter Hitlers zu sein. Ihre Schlafstätten sind hölzerne Käfige ohne Stroh, ohne genügend Decken. Für sie wird die Nahrung besonders zubereitet, dünne Wassersuppen ohne Fett und Fleisch, Brot in unzureichender Menge. Und nun wirken Hunger und Kälte auf sie ein. Sie fangen an zu sterben. Es regnet. Die 2500 Menschen, auf engstem Raum zusammengepfercht, haben den Boden recht bald zu Schlamm zertreten, und nur noch kalkiger Schlamm, in den sie bis an die Knöchel versinken, ist unter ihren Füßen.
Sie sollen sterben. Und da das Tempo nicht flott genug ist, muß nachgeholfen werden. Von Zeit zu Zeit rückt die SS mit dem Prügelbock in das Lager. Dann beginnen wieder die Prügelszenen. Sie werden blutig geschlagen, diese unglücklichen Opfer. Ihre Schreie dringen durch das Lager. Und dieses Schauspiel nimmt ohne Aufhören den größten Teil des Tages in Anspruch. Die SS - Banditen prügeln mit Abwechslung. Viele wetteifern, denn sie haben ja mit ihren besonderen Leistungen neben anderen auch die Chance, daß sie unabkömmlich sind und nicht in den Krieg brauchen. Sie haben in ihrer Niedrigkeit Grund zu guten Leistungen und zu großer Tat. Im umzäunten Polenlager inmitten des Stacheldrahtzaunes des Konzentrationslagers wird noch ein drittes Lager errichtet. Mit ungefähr 200 qm Fläche stellt es mit nur einer Bretterbude ohne Betten, ohne Tisch, ohne Stuhl, ohne Bank etwas dar, was an menschlicher Behausung oder Unterbringung in der Geschichte der Menschheit sicher noch niemals vorhanden gewesen ist. 140 ausgesuchte Polen werden hier hineingepfercht. Die Lagerleitung nennt sie Heckenschützen. Und das besagt alles. Innerhalb von zwei Wochen ist niemand mehr am Leben. Jugendliche Polen, welche im Lager in einer anderen Baracke untergebracht sind, müssen zusehen, wie ihr Vater den langsamen unabwendbaren Tod in den Händen der Tyrannen sterben muß. Im groBen Polenlager wächst die Zahl der Toten. Bei jedem Tagesanbruch werden über Nacht Gestorbene auf einen Haufen in die Nähe ihres Lagereinganges gelegt. Dabei kommt es vor, daß zwischen den Toten sich noch Lebende befinden, welche dorthin gebracht wurden, weil sie für tot gehalten wurden. Dieses im Einzelnen festzustellen ändert allerdings an ihrem Schicksal nichts mehr. Wenn uns tagsüber der Weg am Polenlager vorbeiführt, was uns verboten ist, so sind wir geneigt, schneller zu gehen, um nicht vom Grauen gepackt zu werden. An dem Stacheldrahtzaun, im Schlamm liegend, sterben Menschen, auch Jugendliche, ohne daß sich jemand um sie kümmert. Hier herrscht der Tod, und alle schauen ihm entsetzt in sein grinsendes Gesicht.


