dann wird Bargatzki hochgezogen. Es ist ein regelrechter Erdrosse­lungsvorgang, der sich hier abspielt. Wir haben die Mützen abgenom­men. Neben mir steht der bekannte deutsche Schriftsteller Ernst Wichert. Er reckt den Kopf hoch, um besser sehen zu können. Schweigsam verfolgen wir den Hinrichtungsvorgang, verfolgen die letzten Bewegungen des Sterbenden. In diese Stille ertönt dicht bei uns und recht laut der Ruf eines Kuckucks. Am Tor hinter dem Bal­ken ist die Uhr des Lagers. Es sind seit Beginn des Erhängens wohl zwei Minuten vergangen. Die schaukelnden Bewegungen des Deli­quenten, der an Händen und Beinen gefesselt ist, lassen nach. Er hängt und ist erlöst.

دو

Jezt ereignet sich ein Vorfall, welcher verdient, festgehalten zu wer­den. Seit dem Tage, an dem der Rottenführer Kalweit von Bargatzki und Forster niedergeschlagen wurde, hat außer der Drangsalierung der gesamten Lagerinsassen der Lagerkommandant Koch auch Rauch­verbot angeordnet. Sämtlicher Tabak und Pfeifen, Taschenfeuerzeuge mußten auf den Appellplatz gebracht werden und wurden dort vor den Augen der Häftlinge verbrannt. Jetzt, in dem Augenblick, wo Bargatzki sein Leben ausgehaucht hat, verkündet der Lagerführer: , Weil nun das Schwein da oben hängt, könnt Ihr wieder rauchen!" Die Stille löst sich, demonstrativ klatschen einige Blocks dem Lager­führer Beifall. Jetzt merkt der Lagerführer, daß die Blocks, von denen der Beifall kommt, die sogenannten Arbeitsscheuen, also die Assozialen sind. Einen Augenblick wieder Schweigen. Und dann er­gänzt der Lagerführer seine eben bekanntgegebene Raucherlaubnis mit dem Zusatz: ,, Mit Ausnahme der Blocks der Arbeitsscheuen." Der hingerichtete Bargatzki bleibt 24 Stunden, hängen. Der Galgen wird nicht beseitigt. Er wird das Wahrzeichen von Buchenwald . Scheinbar mit besonderer Freude lassen Lagerführer und Rapport­führer aufgerufene Häftlinge ,, am Galgen antreten!" Und wenn sie sich einen besonderen Scherz erlauben wollen, dann müssen auch Häftlinge auf dem Galgenpodium unter dem Querbalken antreten. Die Henkersarbeit an Bargatzki hatte der kriminelle Häftling Richter unter Zuhilfenahme eines zweiten kriminellen Häftlings namens Osterloh ausgeführt. Richter war Sturmführer der SA gewesen, war also ideologisch recht eng verbunden mit den Verbrechern der SS. Der Lagerkommandant Koch hatte ihn für die Henkerarbeit mit RM 15. bezahlt und zwei Tage später zum dritten Lagerältesten bestimmt.

Für Buchenwald begann ein neuer Abschnitt durch ein gesteigertes Ausmaß der Brutalität. Richter erwies sich würdig. Im Lager und an den Arbeitsstellen lief er mit einem Knüppel herum und schlug hem­mungslos auf die Häftlinge ein, die angeblich nicht genügend ar­beiteten. Seine brüllende Stimme konnte man immer wieder hören. Die Blockältesten und Vorarbeiter schlug er ebenfalls; die Folge war,

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