hervorgeholt, unter dem großen Jubel aller Häftlinge, die bereits vor dem Block standen. Bestimmte Gruppen wurden damit bewaffnet. Etwa um 15.40 Uhr hörten wir die Geräusche und anrollenden Panzer. Eine Granate landete im Schweinestall, kein Häftling kam zu Schaden, nur ein paar Schweine wurden getötet.

Die bewaffneten Gruppen, deutsche, russische, tschechische, französische. jugoslawische und polnische Kameraden durchbrachen den elektrischen Stacheldrahtzaun, stürmten in die SS- Kasernen und erbeuteten weitere Waf­fen. Zu gleicher Zeit wurde im Turm 1 die weiße Fahne gehiẞt. Durchs Lagermikrophon wurden vom Lagerältesten 1, Hans Eiden, die Worte ge­sagt: ,, Kameraden, wir sind frei! Die SS- Banditen sind vor unseren Be­freiern, der amerikanischen Armee, weggelaufen."

Ich übersetze es in meinem Block in russische Sprache und wurde von allen Kameraden stürmisch begrüßt. Im ganzen Lager war ein Jubel. Auf jedem Block wurden weiße Tücher gehiẞt. Man wurde umarmt und geküẞt. Ich selbst, der zehn Jahre auf den Tag der Befreiung wartete, war unsagbar glücklich. Bis abends 10 Uhr hatten unsere bewaffneten Gruppen über 100 SS- Leute gefangengenommen. Sofort wurde das Lager von bewaffneten Häftlingen gesichert, um ein evtl. Zurückkehren der SS mit Waffengewalt zu verhindern. Die Lagerverwaltung wurde von unserem bereits bestehenden Internationalen Komitee übernommen. Unser Lagerleben wurde in größter Ordnung weiter­geführt. Wir waren frei und wollten uns dieser Freiheit würdig erweisen. Unsere jahrelang geleistete organisatorische und politische Arbeit im Lager wurde gekrönt durch den Freiheitsappell am 12. April 1945, vormittags 8 Uhr. In Nationen marschierten die Blocks in bester Disziplin auf den Appellplatz. Für jeden Block wurde die betreffende Nationalhymne von unserer Lager­kapelle gespielt. Am Schluß marschierten die internationalen Blocks auf, Sowjetrussen, Franzosen, Spanier, Deutsche, Polen, Jugoslawen, Ungarn, Tschechen und andere. Sie lebten alle jahrelang zusammen.

Die Internationale wurde gespielt. In Zehnerreihen marschierten die inter­nationalen Antifaschisten Buchenwalds auf. In vielen Augen sah man Tränen. Vor allem bei denen, die seit zehn und elf und zwölf Jahren das erste Mal die Internationalen wieder hörten. Es war ein erhebendes Gefühl. Kamerad Eiden eröffnete den Freiheitsappell und dankte im Namen aller befreiten Häftlinge unseren Befreiern, der amerikanischen Armee. Dann sprach ein amerikanischer Offizier, stürmisch bejubelt und begrüßt. ,, Die amerikanische Armee kam, um Euch zu befreien. Wir bewundern Euch, wie Ihr es fertiggebracht habt, unter dem Naziterror solche Einigkeit, Ord­nung und Kraft zu erhalten. Ihr seid die Besten Europas. Ihr habt 150 SS­Leute gefangengenommen. Buchenwald ist für die vorrückende amerikanische

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