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t) Straßburg , o Straßburg , du wunderschöne Stadt....“ klang es als Pausenzeichen vom Nazisender des eroberten Straßburg , über dessen Zinnen schon seit vielen Monaten die Hakenkreuzfahne wehte.
Auch im Elsaß regierte der Nationalsozialismus mit aller Brutalität. Aber der Elsässer blieb aufrecht, wahr und klar und ließ sich vom Nazijoch nicht unterkriegen. Mit Ausnahme jener käuflichen Kreaturen, die überall zu finden sind, war der Elsässer ein ganzer Kerl, der das Herz auf dem rechten Fleck hatte und jederzeit den Verfolgten seine Hilfsbereitschaft bewies. Besonders uns Häftlingen in den sogenannten Außenkommandos tat er heimlich oder offen Gutes, selbst auf die Gefahr hin, dafür ein- gesperrt zu werden. Der Elsässer wußte, was in den Konzentrationslagern los war, schon ehe die Nazis zu ihm kamen.
Aus dem Straßburger Hauptbahnhof stampft unser Zug mit den an- gehängten Gefangenenwagen nach Westen in Richtung Molsheim . Von hier aus geht die Fahrt weiter bergauf durch die wunderbare elsässische Landschaft, die sich, könnte man sagen, mit jedem Kilometerstein zu größerer Pracht entfaltet Station für Station läßt der langsam fahrende Zug mit seiner keuchenden Lokomotive hinter sich. Was das Auge durch die schmalen, vergitterten Fensterchen zu erhaschen vermochte, ließ die einmalige Schönheit der Vogesenlandschaft, dieses wahren Garten Gottes, mehr ahnen als erfassen. Die Bäume bogen sich unter der Last der reifen Früchte: Zwetschen, Aprikosen, Äpfel, Birnen, Pflaumen. Das Auge sah sich satt, der Magen aber war schlapp von monate-, bei manchen schon jahrelangem Hunger, so daß wir es gar nicht wagten, diese Früchte überhaupt zu begehren. Nach einem Stück Brot sehnten wir uns, nach einem Stückchen trockenen Brot...
Niemand von uns konnte seine Gedanken auf die Umwelt konzentrieren, alle standen unter dem Druck banger Erwartung des Kommenden, denn das Ziel mußte nahe sein. Bald würde uns das berüchtigte Konzentrations- lager Natzweiler aufnehmen, das in eingeweihten Kreisen die Bezeichnung „Vernichtungslager “ trug. Schließlich hielt der Zug auf einer kleinen Station mit Namen Rotau inmitten des herrlichen Breuschtales.
„Alles fertigmachen!“, hieß es.
Rechts und links im Gefangenentransportwagen wurden die kleinen, ver- gitterten Zellen geöffnet. Eine Zellenbesatzung nach der anderen mußte sich zu kleinen Zügen formieren, auf den Gang hinaustreten, um draußen einzeln in Empfang genommen zu werden.
Ich befand mich mit meinen Kameraden in einer der letzten Zellen und konnte so meine Leidensgenossen betrachten, die Mann für Mann wie
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