DER PROZESS

wegenZersetzung der Wehrkraft zum Tode verurteilt. Nun wartet er, ob sein Gnadengesuch Erfolg haben wird, oder ob das Urteil zur Bestätigung kommt. Sein Gesicht zeigt deutliche Spuren starker, seelischer Zermürbung. Blick und Haltung sind unstet und fahrig. Trotzdem erweckt der Mann auf den ersten Blick Vertrauen.

Und dann noch ein anderer, ein früherer höherer Polizei- beamter H. aus Wien , dessen Äußeres durch die lange Ge- fängnishaft auch etwas massig geworden ist. Er gibt miı sofort wichtige Einzelheiten über die Verhältnisse im Gefängnis: wie man Nachrichten heraus und herein bekommt, vor welchen Wärtern und Mitgefangenen man sich in Acht nehmen muß. Denn obwohl im allgemeinen die Kameradschaft im Gefängnis vorbildlich ist, gleich- gültig, welchen Dienstgrad man hatte, so gibt es auch hier Spitzel unter den Gefangenen. Wie man sich das Brot einteilt, damit bei der knappen Verpflegung für die lange Zeit zwischen Mittag und Abend noch eine kleine Reserve bleibt. Welche Wächter Zigaretten besorgen können, wie man Zeitungen austauschen kann. Er kennt alle Schliche und nutzt geschickt jede Möglichkeit aus, trotz der dauernden Beobachtung durch den Posten mir in scharf geprägter, eindringlicher Form Verhaltungs- maßregeln einzuprägen, die für mich als Neuling äußerst wertvoll sind. Seine Persönlichkeit hat etwas Zwingen- des, und ich kann mir gut vorstellen, daß er ein erfolg- reicher Führer einer Partisanenkampfgruppe gewesen ist, bevor er ins Gefängnis kam. Dieses flüstert mir ein

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