Im Lager wurde ich stolz
Ich konnte nicht leben ohne die Sympathie der wertvollen Kameraden.
Ich konnte nicht einfach vegetieren. Ich mußte, auch in den schlimmsten Zeiten der Haft, wenigstens etwas Nützliches tun, wenigstens etwas leisten. Und dieses ,, Etwas" war, entsprechend meinen Neigungen und Fähigkeiten, Erziehung junger Menschen, Entwicklung neuer Genossen.
Im Lager gab es keine geheimen Schwächen und Laster. Bei allem, was man tat, jede Minute des Tages und der Nacht, stand man unter der Kontrolle der Kameraden, lebte man unter den Augen seiner Mitgefangenen. Schwächen ließen sich nicht verbergen. Wollte man nicht haben, daß die anderen sie sahen, SO mußte man sie beseitigen. Wenn man Schwächen und, Unzulänglichkeiten zeigte, vertrauten einem die jungen Menschen nicht, hatte man keinen Einfluß auf sie, konnte man sie nicht erziehen. Wollte ich Erzieher sein, so mußte ich also besser werden.
Mein Wunsch, Menschen zu beeinflussen, hat meine eigene Entwicklung daher vorwärtsgetrieben. Als ich ins Lager kam, haftete mir die Überheblichkeit des Sektierers an: Ich, die Wertvolle, ich, die Auserwählte, sprach aus meinem Verhalten. Ich kann mir keinen Vorwurf machen, daß ich diese überhebliche Einstellung gewann. Der Antifaschist mußte sich in der faschistischen Gesellschaft ständig gegen die Auffassungen seiner Umwelt wehren. Zur Abwehr gehörte es, daß er sich daran klammerte: Ich bin klüger, ich bin besser, ich habe recht, ich... ich... ich...
Psychologisch ist der Schritt von der berechtigten Erkenntnis des eigenen Wertes zur Selbstüberheblichkeit klein.
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