prägten sich mir die wehenden Kiefern über dem Stacheldraht, die weißen, zerflatternden Wolken ein. ,, An diesen Tag wirst du dich dein Leben lang erinnern!" sagte ich mir.
Wir marschierten zum Verwaltungsgebäude. Vor ihm war eine Rabatte schwarzer, samtner Stiefmütterchen. ,, Trauer", dachte ich. ,, Es blüht die
Trauer!"
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Schwester
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Man las mir eine Depesche vor: ,, An Fräulein Rita Sprengel. Ihr Bruder Horst Sprengel ist am 9. April im Hotel Nordbahnhof verstorben", und einen Begleitbrief meines Bruders Jürgen, in dem er die Lagerleitung bittet, mich, Frau Rita Sprengel, von dem Tode meines Mannes zu unterrichten. Der SS- Mann sah mich verwirrt an. Frau Fräulein Frau? Eine Erinnerung blitzte auf. Horst zeigte mir einmal sein Soldbuch. In ihm war vermerkt, daß ich, seine Schwester" im Falle eines Falles zu verständigen sei. Und er erklärte mir verlegen lächelnd: ,, Weißt du, es war mir peinlich anzugeben, daß du meine geschiedene Frau seist!" Scherzend hatte ich erwidert: ,, Briefe an Fräulein Sprengel nehme ich grundsätzlich nicht an!" Mit plötzlich aufbrechender Trauer, gepackt von der Vorstellung, daß so ein Brief mir zugehen könnte, mir zugehen würde, hatte er den Arm um mich gelegt und leise gesagt: ,, Doch, du wirst den Brief annehmen!" Und nun es gab noch eine dritte Möglichkeit: man hatte ihn mir vorgelesen!
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Ich drehte mich um. Dumpf schallten meine Holzschuhe auf den Dielen des Büros, als ich mit schweren, plumpen Schritten hinausging. Ich hatte eine Vision, ganz klar, ganz deutlich: Ich werde überleben!
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Am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang ging ich über die Lagerstraße. Der Himmel war
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