Der Sachsenhausen - Prozeß

Als am Nachmittag des 23. Oktober 1947 im alten Pan­ kower Rathaus der Vorsitzende des Militärtribunals der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland , Oberst Majorow, die Verhandlung gegen 16 Angehörige der Lager­führung und des Lagerpersonals des ehemaligen nazi­stischen Konzentrationslagers Sachsenhausen eröffnete, dachten viele, die Kette der Kriegsverbrecherprozesse, die seit dem Zusammenbruch des faschistischen Regimes in Deutschland abgerollt ist, würde um ein gewöhnliches Glied erweitert. Als nach acht Verhandlungstagen, am Abend des 1. November, der Gerichtsvorsitzende das Urteil verkün­dete, wußte die Welt, daß dieser Prozeß in seiner Bedeutung weit über die bisher gegen SS - Mörder von Dachau , Maut­ hausen , Bergen- Belsen und andere geführten Kriegsver­brecherprozesse hinausragt.

Ein amerikanischer Journalist, den ich beim ersten großen Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß gegen Göring und an­dere kennengelernt und der mittlerweile zahlreichen weite­ren Kriegsverbrecherprozessen beigewohnt hatte, sagte zu mir am Schluß des Sachsenhausen- Prozesses, noch völlig im Banne des Gehörten und Gesehenen:» Dieser Prozeß ist das Aufsehenerregendste, was ich auf diesem Gebiet bisher er­lebt habe. Er ist etwas, was wir Amerikaner als, Die Sen­sation des Jahres' bezeichnen würden.<<

Die wirkliche Bedeutung des Sachsenhausen- Prozesses liegt selbstverständlich weitab jeder Sensation. Aber er hatte ohne Zweifel eine Besonderheit, die nicht nur jener Amerikaner, sondern alle Menschen, die ihm beiwohnten, empfanden.

Es gibt eine reiche Literatur über die faschistischen Kon­zentrationslager. Diese wurde aber ausschließlich von Men­

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