der Pension erklärte die Inhaberin freundlich, alles besetzt zu haben. Doch wir wußten nicht sehr weit davon eine, deren Besitzerin uns von früher gut bekannt war. Ich ging allein dorthin, ihr habt mich in der Nähe erwartet. Bei ihr erfuhr ich, daß allen Hotels und Pensionen bei Strafandro­hung verboten war, Juden aufzunehmen. Es war inzwischen zwei Uhr geworden. Wir beschlossen, um Zeit zu sparen, uns zu trennen. Du wolltest mit Peter zu Hechts fahren, ich wollte mit Hanna zu Frau Schwarz, der Besitzerin des Kolonialwarengeschäfts. Um halb vier Uhr wollten wir uns vor ihrem Hause wieder zusammenfinden.

In der Privatwohnung der Familie Schwarz herrschte große Aufregung, Herr Schwarz, ein über siebzigjähriger alter Herr, hatte schon am Morgen den Besuch von SA.­Leuten gehabt, die ihn mit der Pistole bedrohten. Das Be­treten seines Geschäfts war ihm und seinen sämtlichen Fa­milienangehörigen verboten worden. Was noch folgen würde, wußte man nicht. Frau Schwarz und ihr Sohn emp­fingen uns. Von ihnen erfuhr ich, daß im ganzen Reich die jüdischen Geschäfte angegriffen, ihre Schaufenster zer­schlagen, ihre Waren zum Teil vernichtet und geraubt worden waren. Die Münchener Synagoge war schon früher, angeblich aus irgendwelchen bautechnischen Gründen ab­gerissen worden und so dem Brand und der Zerstörung, der alle Synagogen im Reich anheimfielen, entgangen. Trotz all dieser Schrecken, die jeden Juden in der Stadt mit tiefer Besorgnis und Angst vor dem erfüllten, was noch weiter über sie kommen würde, wurden wir sehr freundlich von Frau Schwarz und ihrer Familie aufgenommen. Man bereitete uns ein Mahl, und Frau Schwarz schlug vor, ich sollte mit Hanna bei ihnen übernachten. Es werde sich be­stimmt ein Plätzchen für uns finden, wenn sie auch ihre verheiratete Tochter mit ihrem Mann aus Köln noch heute erwarte. Dankbar nahm ich das Anerbieten an und hoffte dringend, Du möchtest mit Peter bei Hechts ein Unter­kommen für die Nacht gefunden haben.

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