argwöhnte man, daß die Judenlager im Generalgouvernement nichts anderes enthielten als Vernichtung.

von Rosenberg war sehr intelligent. Schon lange, bevor sich das Kriegsglück in Rußland wendete, vermochte er nach- zuweisen, daß der fabelhafte deutsche Vormarsch mit seinen welthistorischen Siegen nichts anderes. war als ein Pyrrhus- Sieg und daß die Niederlagen der Roten Armeen mehr von strategischen Rückzügen an sich hatten als für einen Endsieg der deutschen Truppen erfolgverheißend gewesen wäre. Er verstand auch die Kunst, sich inmitten der niederdrückendsten und abstumpfendsten Sorgen und Qualen geistig wach zu halten, ebenso wie er es fertiggebracht hatte, rechtzeitig'eine fingierte Scheidung bei Gericht durchzusetzen, um seiner Frau und seinen Kindern das Leid zu ersparen, das sie als Familienangehörige eines jüdischen Häftlings sonst getroffen und ihnen nicht nur die Zukunft vernichtet, sondern auch allen Besitz genommen hätte. Hätte er nicht die Initiative aufgebracht, den Diskriminierungen des Arier-Paragraphen ein Schnippchen zu schlagen, dann hätte der Sadismus der Judenverfolgungen die schlesische Baronin gezwungen und gepreßt, diese Verbindung von sich aus zu lösen. Solche An- griffe der Gestapo auf das Familienleben der Häftlinge im Konzentrationslager kamen ziemlich oft vor, selbst wenn es sich um reinarische Ehen handelte.

Den Unsinn der nationalsozialistischen Ideologie vermochte Baron von Rosenberg mit beißendem Spott zu verhöhnen, und die Barbarei des nationalsozialistischen Regimes war für ihn nicht weniger als für die anderen ein Greuel, aber er ließ sich trotzdem niemals zu blindem und durchdringendem Haß hinreißen, der durch seinen: Mangel an Selbstbeherrschung das Opfer auf das gleiche Niveau von Kulturlosigkeit hinab- zieht, das die Tyrannen für immer mit Schande bedeckt. Was konnte es für einen Sinn haben, wenn der Geist gegen diesen Wirbel von Ungerechtigkeiten und brutaler Gewalt rebel- lierte, der im Konzentrationslager wütete? Die einzige Folge wäre der Verlust des inneren Gleichgewichts, eine Einbuße an innerer Würde, ein Sinken in der eigenen Achtung ge- wesen. Konnte die erhabene Größe der menschlichen Per- sönlichkeit reinere Anerkennung finden als dadurch, daß man ihre Verletzlichkeit einfach nicht zugab, wenn Unvernunft und brutale Gewalt die Zügel schießen ließen. Ist denn über- haupt eine weisere Haltung denkbar als sich in Überein-