ein oberflächliches Vorurteil gegen irgendwelche Ziele oder Bestrebungen,

der Wunsch, besonderen Eifer oder besondere Rührigkeit an den Tag zu legen,

die Einbildung, daß man die Bevölkerung ständig in Spannung halten müsse,

der Mangel an Verständnis für die Wesensverschieden­heiten der Menschen in sozialer oder religiöser Hinsicht-

dies alles genügt eins wie das andere, um einen Menschen wie ein gefährliches Tier zu behandeln, ihn aus seinen Lebensgewohnheiten herauszureißen, ihn seiner Familie zu entfremden, ihn zu martern, für immer unglücklich zu machen, ihn um Leben, um sein Ansehen bei Bluts- und Geistesver­wandten, um seine Ehre zu bringen, um das ideelle Gut also, das man zu allen Zeiten als unveränderlichen Bestandteil der menschlichen Existenz angesehen hat.

Das ist eine Willkür, die jeden Gedanken an Persönlichkeit auslöscht, die ordnende Autorität im Staate zu einem wilden Tier macht und jede Neigung zu einer geistigen Gemeinschaft mit anderen sinnlos werden läßt und folglich das erhabene Kulturgut in Erziehung und Berufung, das eine Nation erst aus­macht, absterben läßt. Denn es ist ganz logisch, daß unter einer solchen Willkürherrschaft nur eine Gemeinschaft von Mario­netten bestehen kann, eine Gemeinschaft von Menschen, denen man den geistigen Inhalt des Menschseins genommen hat.

Warum sollte der Mensch noch danach streben, dem edlen Trieb zu folgen, der ihn von den Tieren unterscheidet und ihn nach der allgemeinen menschlichen Auffassung über alle bloßen Objekte heraushebt, dem Drang nach Wahrheit, Güte und Rechtschaffenheit, wenn ihn gerade diese Bemühungen unvermeidlich in ein Gebiet führen, wo die Willkürherrschaft des Polizeistaates ihre Treibjagden auf jede Abweichung von der Parteidoktrin organisiert, auf jede Abweichung von Regeln, die noch nicht einmal klar als solche zu erkennen sind?

Blinde Furcht und blinder Gehorsam müssen dann die Grundprinzipien der Menschenführung im Hinblick auf alle Staatsmaßnahmen werden, ganz gleich, auf welche verborgenen Beweggründe sie zurückgehen und auf welche dunklen Ziele sie gerichtet sind. Das ist die Mentalität einer Horde, einer Herde von Wesen, die zwar von Natur aus begabt sind, die aber es als erstes Lebensgesetz ansehen müssen, sich so unvernünftig wie möglich zu gebärden.

73