ihn um eine weitere Schachtel Priemtabak. Hein gab sie mir nur zögernd, denn das konnte glatten Selbstmord bedeuten.
Der Würfel war gefallen. Ich ging nicht mit hinaus, sondern raste in den Waschraum, verdrückte abermals sechs Stück Priem, stolperte schwankend, als wenn mir schwindlig wäre, die paar Schritte bis zum oberen Ende der Baracke, setzte mich still hin, stützte den Kopf in die Hände und hoffte, daß der Himmel ein Einsehen haben würde.
Das Schicksal war mir gnädig. Als eine weitere Stunde vergangen war, wurden die Anzeichen einer beginnenden Krankheit so überzeugend, daß sich Hein, der mich beim Appell ,, im Revier" gemeldet hatte, allmählich über die Widerstandsfähigkeit meines ,, Zementmagens" gegen Nikotin. zu beruhigen begann und mir begeistert auf den Rücken klopfte, um den Gärungsprozeß in meinem Innern noch etwas zu beschleunigen.
,, Jetzt geht's gut!" ermutigte mich Hein, und er bat Fritz, den Blockältesten, mit mir ins Revier zu gehen.
Es verstieß gegen alle Disziplin, während der Arbeitszeit ins Revier zu gehen, es sei denn, man wäre überhaupt nicht in der Lage gewesen, sich auf den Beinen zu halten, aber dann ging man natürlicher Weise auch nicht. Die Begleitung von Fritz ersparte mir gleichzeitig ein Transportmittel und einen Freibrief, um bis in den abgesperrten Sanitätsraum vorzudringen.
,, Schwer krank", sagte Fritz mit der Gewichtigkeit eines Mannes, der weiß, was er seinem Amt und seiner Person schuldig ist. Wie primitiv das Komplott auch sein mochte, Rudi, der erste Amtswalter bei der Aufnahme zum Revier und im übrigen ein Gesinnungsgenosse von Fritz, der früher ein kommunistischer Agitator gewesen war, verstand offensichtlich sofort, was man von ihm wollte, so daß alle weiteren Umschweife überflüssig waren.
Er steckte mir ein Thermometer unter den Arm, und als es nur 32 Grad anzeigte, ergoß er nicht die übliche Sturzflut von Flüchen und Beschimpfungen über mein Haupt, sondern warf mir nur einen zynisch sein sollenden, verächtlichen Blick zu, der im Konzentrationslager bereits als Zeichen liebenswürdigen Humors gewertet wird.
,, Untertemperatur, ist schon tot!" sagte Rudi und wandte sich mit routinierter Gewandtheit an den SS - Aufseher, der zufällig gerade hereinkam und mich ganz im Stil dieser
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