erklärte jedenfalls, er wisse ganz genau, daß man die Wahrheit, und zwar die ganze Wahrheit, aus einem Menschen herausprügeln könne. Diesmal jedoch war der einzige Erfolg der, daß die Leine, an der man den Mann aufgehängt hatte, die jammernde Last nicht länger zu tragen vermochte und das Opfer, das von nichts eine Ahnung hatte, auf den Betonfuẞboden stürzte. Einen bewußtlosen Mann zum Sprechen zu bringen, schien auch die Kraft der SS - Peitschen zu übersteigen, geschweige denn, aus einem Mann eine Wahrheit herauszubringen, die er gar nicht kannte. Deshalb wurde einfach die ganze Arbeitsschicht, zu der auch ich gehörte, hinausgejagt, um dort auf dem Präsentierteller ,, Gymnastik" zu treiben.
Wir mußten marschieren, laufen, uns flach auf den Boden werfen, auf Ellenbogen und Knien durch Sand und Schlamm kriechen, aufstehen, wieder laufen, wieder auf dem Boden herumkriechen wie die Raupen, wieder aufstehen, rennen, hinfallen, kriechen, unaufhörlich, ohne Gnade, ohne Rücksicht auf Wunden oder Krankheit. Jeder, der zögerte oder zurückblieb, bekam was mit der Peitsche, nicht von der SS, sondern von den deutschen Mithäftlingen, ein paar ,, Kapos" und Vormännern, die mit einem Eifer und einer Begeisterung, die einer besseren Sache, würdig gewesen wären, ihr bestes taten, das stolpernde Herumgehumpel zu einem Anblick zu machen, der der Bezeichnung ,, Strafturnen in einem Konzentrationslager" einigermaßen würdig war.
Inzwischen waren die ersten Alarmmaßnahmen für die Aufspürung des geflohenen Russen ergebnislos verlaufen, und deshalb mußte eine etwas ausgedehntere Demonstration der Allgewalt der SS - Wachen in Szene gesetzt werden. Alle NichtRussen und nicht stammesverwandten Slawen wurden aufgefordert, an der Treibjagd teilzunehmen. Zwei Brote, ein Pfund Margarine und sechs Päckchen Tabak von je 50 Gramm wurden als Belohnung für die Auffindung des ,, Halunken" ausgesetzt. des ,, H Das war viel mehr, als man an natürlichem Sympathiegefühl für einen Kameraden aufbringen konnte, der sein Leben für die Freiheit wagte; und fast alle, die nicht ausdrücklich davon ausgeschlossen waren, stürmten nach vorn, um sich zur Teilnahme an der Jagd zu melden. Da liefen sie schon, die Spürhunde, einige von ihnen waren tatsächlich mit festen Knüppeln bewaffnet. Für diesen Fall hatte die SS die Erlaubnis dazu gegeben. Wir anderen, der Rest von der Belegschaft, aber mußten weiter stehen und suchten den Hunger zu verbeißen,
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