Bursche vom Lande, der die Freundschaft und Hilfsbereitschaft selber war, wenn man ihm eine Zigarette oder ein Stück Kau­tabak verehrte, und nur dann brummig und zurückhaltend wurde, wenn man etwas ohne Gegenleistung von ihm ver­langte. Das war nun einmal das übliche Gegenseitigkeits­prinzip im Lager. Aber niemand hätte hinter diesem linki­schen Burschen einen abgefeimten Heckenschützen vermutet. Er zeigte auch niemals irgendwelche Anzeichen von Angst. oder Unruhe, die auf verborgenes Schuldgefühl hätten schlie­Ben lassen. Er schien die Friedfertigkeit selber zu sein. Und doch wurde er in den ,, Bunker" eingesperrt und sollte am nächsten oder übernächsten Tage gehängt werden.

Abends nach dem Appell, schon bei Einbruch der Dunkel­heit, ging die Sache vonstatten. Vor dem Revier an der Süd­seite des Platzes hatte man einen hohen Galgen aufgerichtet. Alle Häftlinge sollten ihn sehen. Und gerade so, als handele es sich um eine Feier, die gefilmt werden sollte, sah man vor der ersten Reihe der angetretenen Häftlinge ein ständiges Kommen und Gehen von SS - Männern. Sogar einen Urteils­spruch hatte man aufgesetzt, der mit metallener Stimme ver­lesen wurde, von dem aber offensichtlich niemand etwas ver­stehen konnte. Der Verurteilte wurde auf eine Plattform ge­führt, von der ein Brett vorsprang. Da es schon ganz dunkel geworden war, wurden große Scheinwerfer auf die Bühne gerichtet. Zunächst erblickte man in dem Strom von Hellig­keit nur die baumelnde Schlinge. Dann sah man, wie sich der Strick langsam herniedersenkte und dem gefesselten Polen . um den Hals gelegt wurde. Nun wurde das Brett unter seinen gefesselten Füßen fortgezogen. Der Körper fiel nach unten, ein kleines Stück nur, dann zuckten die Beine des Gehängten noch einmal krampfhaft nach oben. Das war alles. Die flüch­tige Vision eines der vielen Galgen, die Charles de Coster in seinem Tyll Uylenspiegel geschildert hat. Mit Tyll aus den Niederlanden werden sich die Hunderte von Polenjungen, die dabei waren, gedacht haben: ,, Vaters Asche klopft an mein Herz..!" Diese Asche klopfte schon so lange, schon so oft und würde noch häufig an ihr Herz klopfen. Aber sie schwiegen still. Niedergeschlagen und aufgeregt waren hauptsächlich die anderen, die nun zitternd vor Kälte und Regen und krank vor Entsetzen ihren Strohsack aufsuchten.

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