fänden in der Welt brutaler Gewaltanwendung und primiti­ven Faustrechts, wie sie in den Heldengedichten von den Pionieren der Wildnis und den kühnen Verfolgern von Vieh­dieben und anderen Banditen geschildert wird. Aus dem tägli­chen Leben der europäischen Welt schienen diese Züge für immer weggewischt.

Das erwies sich als ein Irrtum. Nicht die Faust-, Feuer- und Blutromantik des Wilden Westens malt uns ein Phantasiebild der Menschheit, sondern die ritterlichen und höflichen Umgangs­formen, die wir seit Generationen als das natürliche Benehmen der Menschen untereinander zu betrachten gelernt haben und deren Ursprung wir aus den Augen verloren, seit ihn ihre Taufe in den Wassern christlicher Ueberlieferung zu verleug­nen sucht. Im wesentlichen zeigte die Wirklichkeit der Kon­zentrationslager nichts anderes als eine Gemeinschaft von wilden Tieren in Menschengestalt. Es erwies sich, daß die deutschen Häftlinge, die, wie man zu ihrer Entschuldigung sagen muß, die neuheidnische Wiedertaufe durch die national­sozialistische Weltanschauung hatten durchmachen müssen, in der Mehrzahl nicht ein Haar besser waren als die Desperado­Typen, die uns in dem räuberischen Milieu der amerikani­schen Unterwelt immer mit Widerwillen und Abscheu erfüllt haben. Die größte Unterlassungssünde, die mir dabei zum Be­wußtsein kam, war die, daß ich in meiner Jugend nicht Boxen und Ringen gelernt habe.

Aber die Einführung der Häftlinge in den rauhen Lebens­stil des Konzentrationslagers blieb nicht auf das gewalttätige und zynische Benehmen der deutschen ,, Kameraden" und die abstoßenden Geschichten über die Entwicklung des gegenwär­tigen Regimes in den Lagern Sachsenhausen , Mauthausen , Bu­ chenwald und Esterwegen beschränkt. Auch die SS - Männer trugen nach besten Kräften zu der erwünschten ,, Erziehung" der Neuankömmlinge unter den Häftlingen bei.

Kurz nach meiner Ankunft im August 1941 hörte ich auf dem Marsch zum Elbe- Kanal einen Schuß fallen. Nur wenige Schritte von mir entfernt sah ich dann die Leiche eines ,, Kum­pels", kaum einen Meter neben der Straße am Rande des Deiches. Es genügte ja schon, sich nur ein kleines Stück aus der Marschordnung zu entfernen, einmal die Kette der SS­Wachmannschaft zu durchbrechen, um erbarmungslos über den Haufen geschossen zu werden. Das war gleichzeitig eine der gebräuchlichsten Methoden, Selbstmord. zu begehen oder

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