Bier hinein begleiteten uns keine SS.-Männer. Name und Beruf schienen bereits bekannt. Meine höflichen Antworten, die offensichtlich den Eindruck hervorriefen, daß ich nicht gegen die Umgangsformen der guten Gesellschaft verstoßen wollte, wurden lachend mit der Feststellung ‚kommentiert: Wir sind auch Häftlinge, und Gefangene werden nicht mit Sie angeredet. Hier duzt man sich. Man händigte uns ein paar Stoffetzen aus, zwei längliche weiße Rechtecke mit der Lagernummer für Jacke und Hose und zwei Dreiecke, die oberhalb der Lagernummer auf die Brust und unter- die rechte Hosentasche genäht werden sollten. Meine Dreiecke waren rot, in der Farbe der politischen Häftlinge.Morgen früh acht Uhr vor der Schreibstube! war die Parole für diePolitische Abteilung, und damit wurden wir nach Block 14 entlassen. Glücklicherweise ohne erneut Spießruten laufen zu müssen.

Es war inzwischen spät am Nachmittag geworden. Eine Glocke läutete. Esklingelte. Die Klingel im Lager ist so ziemlich das einzige romantisch anmutende Attribut des Ge- fängnislebens. So etwas wie das Minarett in einem einsamen mohämmedanischen Dorf. Man könnte fast glauben, daß nur aus diesem Grunde in kleineren Lagern die Glocke durch das Anschlagen eines Metallbeckens mit kläglichem Ton ersetzt wird. Denn jede Spur von Romantik ist in der nationalsozia- listischen Wirklichkeit verpönt, genau so gut wie die Phan- tasie, die das Heimweh nach den stillen Freuden des verlo- renen Zivillebens wachhalten könnte.Es klingelt! Ganz aus der Nähe dröhnen schwere Schritte herüber. Männer in Reih und Glied kamen anmarschiert wie Soldaten. Sie sangen. Einige jedenfalls sangen. Es waren Häftlinge. Sie erschienen auf der großen Heerstraße rechts vom Tor, nahmen hastig Haltung an, Hände an der Hosennaht, den Kopf entblößt. Im Gänsemarsch marschierten sie dann auf den Platz, um kurz darauf auseinander zu stieben wie verscheuchte Spatzen.

AlsZugänge brauchten wir am ersten Tage noch nicht an dem Abendappell, dem Höhepunkt des Tagesablaufs, teil- zun&hmen.

Vor den Plankenwänden von Block 14 gab uns der Lager- älteste einige wichtige Verhaltungsmaßregeln. Es handelte sich ausschließlich um Verbote. Es war verboten, irgend etwas zu kaufen oder zu verkaufen. Verboten war es auch, während der Arbeitszeit zu rauchen. Es war verboten, beim Appell zu sprechen. Verboten war es, nach Zapfenstreich den Block zu

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