Walter Kreibel ist nicht wiederzuerkennen; er ist froh, lustig, sogar übermütig. Ihm ist, als seien erdrückende Lasten von seinen Schultern genommen, und er kann sich wieder frei be- wegen, recken und strecken. Er tollt mit seinem Jungen im Zimmer, scherzt mit seiner Frau und ist zu Streichen aufgelegt.
Eine kleine Notiz erschlägt seine fröhliche Stimmung. Die Zeitung meldet: Fritz Jahnke zum Tode verurteilt.
Sie haben ihn also doch zum Tode verurteilt?
Er sieht das schmale hohlwangige Gesicht auf sich gerichtet. In den Augen lag Abschied, der Abschied für immer. Sie haben ihn zum Tode verurteilt. Damals haben sie ihn fast er- schossen, aber wieder geheilt. Dann haben sie ihn monatelang
in Einzelhaft gesteckt, haben ihn Nacht für Nacht gepeitscht
und gequält, und jetzt wollen sie ihm den Kopf abschlagen....
Kreibel bekommt Brechreiz, wird grün im Gesicht und will weder essen noch trinken.
Er verläßt das Haus und läuft wie geistesabwesend den Munds- burgerdamm und das Alsterufer entlang. Spät am Abend steht er vor dem düsteren Gebäude des Untersuchungsgefängnisses. Er schleicht sich auf die dunkle Friedhofsseite, kauert zwischen verfallenen Gräbern nieder und starrt fiebernd und doch zitternd vor Kälte auf den unheimlichen, dunklen, stillen Stein- koloß. Er muß an das Gerücht denken, das im Lager umging: Volk, der erste Kommunist, der in Hamburg hingerichtet wurde, sei auf dem Hof des Untersuchungsgefängnisses über einer Badewanne enthauptet worden.
In einer der tausend Zellen sitzt Fritz Jahnke... Morgen schon können sie ihn zum Richtblock schleppen... Er wird auf seiner Pritsche liegen und gegen die Decke starren... Er wird in einer Ecke seiner Zelle stehen und zum Gitterfenster hinauf-


