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Genossen. Alle haben sie dir vertraut, John, alle haben sie in dir einen stahlharten Bolschewiken gesehen. Alle haben dich geliebt, John, und du verrätst deinen Org- Leiter dem KzbV, hetzt die Bluthunde auf die Spuren deines Freundes. Zehn Jahre bist du Kommunist, John. Gewiß, sie haben dich geschlagen, haben dich gequält, gefoltert, aber du weißt genau, was andere Revolutionäre litten, ohne zum Verräter zu werden. Du weißt genau, daß viele sterben mußten und doch ihre Genossen nicht verrieten, daß sie sich totfoltern ließen, aber ihren Henkern ins Gesicht spuckten. John Tetzlin hat Verrat geübt. John Tetzlin hat seinen Org­Leiter dem KzbV verraten. John Tetzlin ist ein Verräter. Zehn Jahre Kommunist. Zehn Jahre. Hast 23 in Barmbeck mit­gekämpft! Mein Gott, wie war es bloß möglich? Wie war es bloß möglich!...

Und der Hafenarbeiter John Tetzlin, ein Koloß von Kerl, mit mächtigen Schultern, wandert schwitzend und schwer atmend ruhelos durch die gespenstisch erleuchtete Zelle. Früh am Mor­gen hört er, daß jemand nebenan in die Zelle geschafft wird; und er ahnt, daß es der mit ihm verhaftete Berliner ist. Er hängt sich an das offene Zellenfenster und ruft, ohne sich um Posten und Wachtmeister zu kümmern: Franz! Franz!"

Er hört als Antwort ein leises Josef!" und schwache Schläge gegen die Wand.

Tetzlin hängt an seinem Zellenfenster und starrt ins grelle Schein­werferlicht, auf die dunkle Mauer dahinter, über der sich die hohen Bäume des Stadtgrabens und der dämmernde Morgen er­heben. Es ist nachtstill; der Posten geht seine Runde. Tetzlins Gedanken kreisen unablässig um das Eine. Plötzlich schreit es aus ihm heraus: ,, Ich habe einen Genossen verraten! Du, du, ich habe einen Genossen verraten! Kannst du das verstehen? Du? Ich habe ihn verraten!"

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