die Dachrinnen herunter, sind die Schornsteine eingestürzt. Und doch ist in.den meisten dieser greisenhaften, zusammen- geschrumpften, von Wind und Wetter zerzausten Häuser Leben. Hinter den kleinen, verdrückten Fenstern flackert abends trübes Petroleumlicht. Zwischen den müde sich neigenden, gebrech- lichen Mauern, unter den eingesackten Dächern, wohnen noch Menschen.

Zwei hohe Granitbauten am Lauf der Alster, an der Grenze der Altstadt, trennen die Stadt mit dem Rathaus, der Börse, den Kir- chen, den Banken und Kaufhäusern, den Pavillons, den breiten Straßen und Alleen von der Stadt mit den schmalen, schmutzi- gen, lichtlosen Gassen, den dumpfen, modernden, verseuchten Häusern: die Stadt des Reichtums und des fröhlichen Lasters von der Stadt der Armut und des traurigen Lasters. Die beiden Granit- bauten sind das neue und das alte Stadthaus: das Präsidium der Hamburger Polizei.

Einst genügte der alte protzige Koloß aus grauem Granit. Doch Hamburgs Handel wuchs. Hamburgs Arbeiterschaft, ihre Klassen- kraft wuchs. Da mußte auch das Polizeipräsidium wachsen. Ein breites, gewaltiges Schwestergebäude entstand am jenseitigen Ufer der Alster. Beide sind durch eine hohe, gedeckte Brücke Seufzerbrücke genannt verbunden.

In einer der vielen Kellerzellen des alten Stadthauses sitzt Gott- fried Miesicke, mutterseelenallein. Es ist frühmorgens. Mit dem ersten Transport ist er gekommen. Man hat die sieben Häftlinge auf verschiedene Zellen verteilt.

Miesicke ist immer noch wie betäubt. Die ganze Nacht hat er im Keller des Wachtlokals der Humboldtstraße, in das man ihn stieß, durchwacht. Abends noch sollte ein Kommando kommen und ihn abholen. Vierzehn Stunden hat er gewartet, sehnsüchtig, aber

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