Häftling bei der Durchpeitschung einmal außergewöhnliche Schmerzenslaute von sich gab
Da hatte ich ein Erlebnis, das mich aus dem Abgleiten in die allgemeine Apathie zurückriß. Und wenn ich nun rückschauend meine Konzentrationslagerzeit betrachte, dann kann ich feststellen, daß die SS.- Schergen in ihrer schier unerschöpflichen Erfindung neuartiger Foltermethoden selbst am besten dafür sorgten, daß nicht eine einzige menschliche Regung auch nur vorübergehend in mir erschlagen wurde.
Wir standen an diesem bitterkalten Januartag auf dem Appellplatz zum Morgenappell angetreten. Der Wind pfiff schneidend durch unsere dünnen Kleider, und der Appell wollte und wollte nicht zum Abschluß kommen. Der Lautsprecher ertönte:„ Der Stubendienst in den Wald." Also deshalb! Hat wieder einmal einer Schluß gemacht. Was kümmert's uns? Wir fangen an zu trampeln, um das Blut nicht erstarren zu lassen, erst unauffällig nur, dann, als wir merken, daß die Lagerleitung sich nicht darum kümmert, immer stärker. Unser Block steht ganz unten auf dem Appellplatz, am weitesten vom Tor entfernt. Wir können in dem schummerigen Licht sogar ein paar Laufschritte riskieren, zumal unser Scharführer mit im Walde ist. Dann plötzlich Gejohle aus dem Wald. Man hat den fehlenden Häftling gefunden und ruft jetzt die im Wald verteilten Sucher zusammen.
Durch den Hauptlagerweg kommt eine Gruppe von Häftlingen aus dem Wald zurück. Jetzt stockt sie. Wir können nicht erkennen warum. Da sich die Gruppe aber bald wieder in Bewegung setzt, ist unser immer katzensprungbereites Interesse wie weggeblasen. Als die Gruppe beim Appellplatz anlangt, stockt sie wieder. Jetzt sehen wir, daß sie in ihrer Mitte einen Häftling hat, der sich wehrt, ans Tor gebracht zu werden. Er stemmt sich mit den Füßen gegen den Erdboden und sucht sich aus den Griffen zu befreien, mit denen die anderen Häftlinge ihn gepackt haben. Einer packt ihn mit einem Polizeigriff an Kragen und Gesäß und schiebt ihn vorwärts. Nach einigen Schritten aber wirft sich der Häftling zu Boden. In diesem Augenblick kommen zwei Scharführer hinzu. Die übrigen Häftlinge treten etwas beiseite.
Jetzt ist uns die Situation klar: Der arme Schächer da hat im letzten Augenblick den Mut verloren, sich den Strick um den Hals zu legen, und jetzt, da er ans Tor gebracht werden soll und genau weiß, was ihm dort blüht, wehrt er sich verzweifelt wie ein Stück Vieh, das zur Schlachtbank geführt wird.
Die Scharführer schlagen auf ihn ein, aber er erhebt sich nicht. Sie packen ihn an den Armen, doch er schlägt mit den Beinen um sich und
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