Häftlings möglich war, durch das Sicherheitshauptamt in Berlin Besuchs­erlaubnis zu erhalten, so wurde diese Möglichkeit doch nur in ganz ver­schwindend geringem Ausmaße benutzt. Die meisten Angehörigen wuẞ­ten von dieser Möglichkeit nichts, und die Häftlinge durften von dieser auch im Lager nur sehr wenig bekannten Bestimmung nicht nach Hause schreiben. Dazu kam, daß die Situation im Lager derart war, daß die Häftlinge im Interesse ihrer Angehörigen nicht das Verlangen hatten, Besuch zu erhalten.

Das Sicherheitshauptamt fragte durch Fernschreiben bei der politischen Abteilung des Lagers an, ob Bedenken gegen die Erteilung einer Be­suchserlaubnis bestanden. Die einzelnen Abteilungen mußten Stellung dazu nehmen, und der Lagerarzt mußte den Häftling untersuchen, ob er überhaupt vorführungsfähig war. Die letzte Entscheidung fällte der Lagerkommandant.

Heilmanns Angehörige hatten um Besuchserlaubnis nachgesucht, und aus diesem Grunde wurde er dem Lagerarzt zur Untersuchung zu­geführt. Das war das letzte Mal, daß ich Heilmann lebend sah.

Einige Zeit später wurde Heilmann in das Arrestgebäude übergeführt. Irgendeine äußere Veranlassung für die Isolierung war nicht gegeben, und wir wissenden Häftlinge waren uns klar darüber, daß Heilmann seinen Leidensweg beendete. Er war durch den Besuch wieder in das unmittelbare Blickfeld der Lagerleitung gekommen.

Es dauerte nur wenige Tage, bis ich angewiesen wurde, die Toten­meldung zu schreiben. Ich erinnere mich nicht mehr, welche Todes­ursache ich angeben mußte. Aber ich weiß, daß die Angabe erlogen war, denn als ich die Leiche oben in der Kammer sah, stellte ich in der rechten Ellenbeuge eine winzige, frische Stichwunde fest. In ärztlicher Behand­lung aber war Heilmann nicht mehr gewesen.

Zweimal täglich mußten sämtliche Lagerinsassen auf dem riesigen Appellplatz antreten, morgens vor Beginn der Arbeit und abends, nach­dem die Arbeitskolonnen wieder in das Lager eingerückt waren. Selten nur ging der Appell glatt vonstatten, denn irgendeine Differenz gab es zunächst fast immer, so daß sich der Appell meistens über eine Stunde, häufig sogar noch weit länger hinzog.

Eine Marotte des Schutzhaftlagerführer Rödl war es, nach der ihm erstatteten Meldung an das Mikrophon zu treten und eine meistens

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