Hunde zurückzurufen. Fragend blickt der Wärter auf Rödl, ob er die Hetze weiter fortsetzen soll. ,, Weiter!" befiehlt Rödl. Und dann packen die Hunde den alten Juden, zerren ihn zu Boden und beißen sich fest.
Und indes Heilmann mit den Hunden abwehrend ringt, gibt Rödl gefühllos und hämisch lachend seinen Gästen ein Zeichen zum Weitergehen. Der Hundewärter bändigt die blutgierigen Hunde, Heilmann liegt halb ohnmächtig am Boden, die SS. - Führer aber entfernen sich weiter, ohne sich auch nur noch ein einziges Mal nach dem Juden oder den Hunden umzuschauen.
Es war wenige Wochen vor seinem Tode, als ich mit Heilmann das letzte Mal sprach.
Nach der Lagerordnung durfte der Häftling im Besitz von zehn Mark Bargeld sein. Das war die Summe, die er sich monatlich von seinem Konto bei der Kassenverwaltung abheben durfte, um damit Kantineneinkäufe zu machen. Den Juden war die Abhebung von Geld nicht gestattet, es sei denn, daß sie das Geld zur Bezahlung eines Gesundheitsattestes für ihre Auswanderung, zur Beschaffung einer neuen Brille, eines Bruchbandes und dergleichen benötigten. Die Beschaffung von Brillen war mir auch übertragen. Bei mir meldeten sich die Häftlinge, die eine neue Brille benötigten, ich bestellte den Optiker aus Weimar und forderte das Geld zur Bezahlung von der Kassenverwaltung an.
Da meine Arbeit nicht kontrolliert wurde, ging ich insbesondere dann, als nach Ausbruch des Krieges die sogenannte KL.- Verstärkung eintraf, die die alten Wachtmannschaften verstärken sollte, aber mit der Organisation des Lagers nicht vertraut war, dazu über, für eine Brille, die zum Beispiel 15 Mark kostete, 25 Mark anzufordern. Oder ich stellte Geldanforderungen aus, ohne daß eine Brillenbestellung vorlag. Auf diese Weise konnte ich die jüdischen Häftlinge in den Besitz von Geldmitteln bringen. Es lag auf der Hand, daß diese Manipulationen nur mit vertrauten Häftlingen vorgenommen werden konnten und daß ich dabei Kopf und Kragen riskierte. Aber dieses Risiko war gang und gäbe und ungeschriebenes Gesetz unter uns Häftlingen.
Eines Tages erschien auch Ernst Heilmann bei mir, um sich zur Beschaffung einer Brille vormerken zu lassen. Er machte einen müden, zerschlagenen Eindruck, aber hielt sich immer noch aufrecht und war ruhig und gefaßt. Wir sprachen über den neuen Krieg. Er sagte: ,, Diesen Krieg kann Deutschland nicht gewinnen."
Einige Zeit später wurde Heilmann zum Arzt bestellt. Er gehörte zu jenen wenigen Häftlingen, die in längeren Zeitabschnitten Besuch von Angehörigen empfingen. Wenn es auch den Angehörigen eines jeden
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