mußten. So hatte ich Gelegenheit, mit Meier vorher zu sprechen. Er war entschlossen, nicht zu unterschreiben.

Und als Meier dann vor dem Lagerarzt stand, zeigte er beste Hal­tung. Die Wortkanonade ließ er unbeweglich über sich ergehen, kein Zucken des Gesichts, keine unwillkürliche Bewegung des Körpers, kein Flackern der Augen verrieten irgend etwas von dem, was in ihm vor­ging. Als er zur Unterschriftsleistung aufgefordert wurde, trat er ruhig an den Schreibtisch, nahm die Feder zur Hand und las den vorgetippten Antrag durch. Dann legte er die Feder auf den Schreibtisch zurück, blickte den Lagerarzt Dr. Ding fest an und erklärte mit ruhiger, klarer, keinerlei Bewegung verratender Stimme: Das kann ich nicht unter­schreiben."

Das klang so bestimmt und so bescheiden, so natürlich und selbstver­ständlich, so ruhig und doch so entwaffnend, so überlegen und doch so dünkellos, daß man wie mit einem Schlage in eine ganz andere Welt versetzt war. Die Situation war faszinierend und fiel so sehr aus dem Rahmen des Lagers heraus, daß Dr. Ding, den ich noch nie um irgend­ein Wort verlegen gesehen hatte, drei, vier, fünf Sekunden schwieg und die beiden SDG.s Oberscharführer Seehausen und Scharführer Hof­mann im Hintergrund stehen blieben und einfach nicht mehr wußten, daß sie jetzt programmgemäß den Häftling mit Faustschlägen und Fuß­tritten zu ,, behandeln" hatten.

Dann unterbrach Dr. Ding die eingetretene Stille und fuhr Meier her­risch und scharf akzentuiert an: Warum nicht?"

دو

Ohne auch nur einen Sekundenbruchteil zu zögern, antwortete Meier ruhig und bescheiden: ,, Ich bin wegen Rassenschande bestraft und habe meine Strafe verbüßt. Ich habe mich schriftlich verpflichtet, das deutsche Reichsgebiet sofort zu verlassen. Meine Auswanderungspapiere sind zum größten Teil bereits in Ordnung; sobald sie vollzählig beisammen sind, werde ich Deutschland sofort verlassen."

Jetzt hatte Ding seine Fassung wiedergewonnen. ,, So? Deutschland sofort verlassen?" unterbrach er Meier, als wäre er höchst belustigt, ,, und das glaubst du, daß wir dich Mistvogel so ohne weiteres auf die Menschheit loslassen? Das hast du dir gedacht, was? Damit du da draußen deine perversen Schweinereien austoben kannst, was? Nein, Sauhafen! hier! unterschreiben!!"

Meier blieb unbeweglich stehen und wiederholte noch einmal: ,, Herr Sturmführer, das kann ich nicht unterschreiben."

,, Das kannst du nicht? Was? Nicht können? Das werden wir ja sehen." Inzwischen war Seehausen aus dem Hintergrund nach vorn gekom­

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