aber unterlag der Sturheit und der gesellschaftlichen Übermacht des sogenannten Adels. Der älteste der drei Söhne war noch rechtzeitig vor dem Tode des Vaters adoptiert worden. Der zweite trägt den Namen der Mutter, der dritte wurde von dem Leipziger Kaufmann Ding, der in kinderloser Ehe lebte, adoptiert.
Mit seinem Adoptivvater hatte sich Ding ausgezeichnet verstanden; weniger herzlich war das Verhältnis mit der Adoptivmutter. Der alte Ding starb, hinterließ in seinem Testament ein knappes Stipendium für den Adoptivsohn und übertrug die Verwaltung und Nutznießung des hinterlassenen Vermögens seiner Frau. Bald war der junge Ding mit seiner Adoptivmutter auseinander.
Auf der Universität ist er mitten in die Kreise hineingeraten, die mit ihrer Herrenmenschenideologie ein rechter Nährboden für nazistisches Verbrechertum abgaben.
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Fraglos besitzt Dr. Ding alle Voraussetzungen, sich seinen Weg als Arzt ehrlich und würdig zu bahnen, aber wieviel leichter ist der Weg über die Partei! Sie fragt nicht nach Wissen und Können, sie fragt nur nach ,, Gesinnung". Und was andere in jahrelanger, mühseliger, oft entbehrungsreicher Arbeit erreichen können, das legt die Partei dem, der Gesinnung" hat oder sie nur gut vorzutäuschen versteht, über Nacht mühelos in den Schoß. Und bei Dr. Ding drängt es. Die ausreichende finanzielle Unterstützung von zu Hause fehlt. Er will möglichst schnell zu einem Einkommen gelangen, das ihm die Heirat ermöglicht. Und er wählt den kurzen, bequemen Weg über die Partei! Er promoviert mit einer Arbeit über den ,, Pavor nocturnus" und wird erst Unterarzt, dann Lagerarzt im Konzentrationslager ,, Buchenwald".
Keiner, der diesen Dr. Ding kennenlernt, kann sich des Eindrucks entziehen, daß er ein hochtalentierter Mensch ist. Jeder hat das Gefühl, daß er auch charakterlich bestes Format aufweist. Und selbst der Fachmann, der sich kurz mit Dr. Ding unterhält, ist erstaunt über das außerordentlich vielseitige und präzise Wissen, das dieser Mensch hinter seiner hohen Denkerstirn mit sich herumzutragen scheint.
Und doch, es ist alles nur Fassade. Der Nazismus hat dieses prächtige Gefäß, das von Natur dazu berufen gewesen wäre, wertvolle Arbeit für die leidende Menschheit zu leisten, ausgehöhlt und mit Pesthauch angefüllt. Ich kann hier unmöglich all die Dinge anführen, die beweisen, daß alles an ihm Fassade war, aber einiges dürfte dafür schon genügen:
In seinem Schreibtisch fand ich Aufzeichnungen, Anamnesen und Fotos von zuckerkranken Häftlingen und deren Angehörigen. Ding sagte mir, daß er die Absicht habe, eine größere Arbeit über ,, Diabetes
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