kümmern. Wir fegen, schaufeln und schieben den Schnee anfangs zwar etwas eifriger, lassen aber dann die Arbeit„sinniger“ werden, zumal wir feststellen, daß sich die Posten darum nicht zu kümmern scheinen.
Einer von uns wird von einem Posten angerufen. Der Häftling bleibt am Straßengraben in angemessener Entfernung von dem Posten stehen, zieht die Mütze und nimmt stramme Haltung an. Der SS. -Mann fragt ihn, seit wann er im Lager ist und woher er käme. Nachdem der Häft- ling die Fragen beantwortet hat, schickt der Posten ihn wieder an die Arbeit. Unser Hilfskapo schiebt sich unauffällig an den Häftling heran und fragt ihn, ununterbrochen fegend, was da los gewesen sei. Dann erklärt er ihm, daß den Posten jede Unterhaltung mit den Häftlingen verboten sei, die Hauptsache aber sei, nicht zu nahe an die Posten heran- zugehen, denn man könne nie wissen, was sie im Schilde führten.
Als wir uns’ schon eine weite Straßenstrecke vorwärtsgefegt haben, erblicken wir in der Ferne den Schlagbaum.„Dort beginnt die Todes- zone“, erklärt uns der Hilfskapo, ‚‚die sich rund um das Lager in vielen Kilometern Abstand zieht. Das Betreten dieser Zone ist für jedermann mit der Warnung verboten, daß hier ohne Anruf sofort scharf geschossen wird. Überall stehen Schilder, und der Wald wird ständig abpatrouilliert. Wir sind hier doppelt hermetisch abgeschlossen. Ein Fremder oder Un- befugter kommt nie an das Lager heran.“
Einer von uns Zugängen, ein Schwarzer, ist von diesem Bericht der- artig beeindruckt, daß er einen Augenblick das Fegen vergißt und nach- denklich nach dem Schlagbaum guckt.
„He, du da!“ schreckt ihn der in der Nähe stehende Posten aus seiner Versunkenheit auf.„Herkommen!“ Der Aufgeschreckte läuft auf den Posten zu.
„Weitermachen, nicht umsehen!“ flüstert uns hastig der Hilfskapo zu. Und wir arbeiten weiter auf den Schlagbaum zu. Als wir einige dreißig Meter weit sind, sagt uns der Hilfskapo:„Beeilt euch, wir müssen den Schwarzen da loseisen.‘“ Wir wissen‘nicht recht warum, aber arbeiten trotzdem mit doppeltem Eifer.
Als wir die Straße bis fast an den Schlagbaum gesäubert haben, läßt uns der Hilfskapo antreten und führt uns geschlossen zurück. Der Schwarze steht am Straßengraben vor dem SS.-Posten in halber Knie- beuge, den Schneeschieber in den beiden Händen nach vorn gestreckt, und hält sich nur noch mühsam in dieser Stellung. Der Posten hat die Maschinenpistole auf ihn in Anschlag gebracht. Als wir vorbeimarschieren,
. befiehlt unser Hilfskapo mit einem barschen Ton, den wir ihm gar nicht
zugetraut hatten:„Mitkommen!“ Der Schwarze folgt dem Befehl sofort,
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