Wir schlagen die rechte, gut ausgebaute Waldstraße ein. Noch lange lärmt die Lagerkapelle hinter uns her. Linker Hand liegt der Garagen­neubau, dem wir Zugänge für den heutigen Tag zugeteilt sind. Die Maurerarbeiten ruhen wegen der strengen Kälte, aber die umfangreichen Erdarbeiten werden weiter fortgesetzt. Die Kolonne teilt sich in klei­nere Gruppen auf. Von einer Postenkette kann ich nichts sehen. Auch Scharführer sind nirgends zu erblicken. Ein paar SS. - Leute, die aus scheinbar eben fertiggestellten Großgaragen Lastkraftwagen und Motor­räder usw. holen, kümmern sich nicht um uns.

Ich bin einer Kolonne zugeteilt, die den Auftrag erhält, einen großen Schuttberg beiseite zu räumen. Der Häftling, eine Art Unterkapo, der uns die Arbeit anweist, entfernt sich und überläßt uns unserem Schick­sal. Die alten Häftlinge, die die Arbeitsverhältnisse bereits kennen, gehen sofort an die Arbeit und hacken, ohne sich auf- und umzusehen, mit Picken und Schaufeln emsig darauf los. Das ist für uns Zugänge geradezu faszinierend. Zwar können wir diesen Arbeitseifer nicht ver­stehen, da doch alle Aufsicht zu fehlen scheint, aber die alten Häftlinge arbeiten nicht nur, sondern wühlen und schuften derart, daß wir es schnell für richtig halten, es ihnen gleichzutun. Wenn auch der Grund uns nicht verständlich ist, so spüren wir doch, daß es in unserem eigenen Interesse liegen muß, den gleichen Arbeitseifer aufzubringen, und wir gehen, wie ein Berliner Kamerad sagt ,,, ran an die Bulletten."

Bald ist es uns trotz der eisigen Kälte und des scharfen Windes warm geworden. Wir blicken auf die ,, Alten", die unablässig wühlen und wühlen, und tun es ihnen gleich. Einer von uns Zugängen sagt zu einem alten Häftling: ,, Mensch, laß doch langsamer gehen! Mach doch mal , Fünfzehn'!" Der Häftling unterbricht seine Arbeit aber auch nicht um eine Sekunde und sagt nur: ,, Bist du verrückt, Kerl?" Und wir schaufeln weiter den Schutt in kleine Tragkästen und transportieren ihn in Kipp­wagen, die einige fünfzig Meter von uns entfernt auf Feldgeleisen stehen und wo andere Häftlinge in emsigstem Bienenfleiß damit beschäftigt sind, einen großen Erdhügel abzutragen.

Die Arbeit ist schwer, aber ich fühle mich ihr gewachsen. Noch bin ich verhältnismäßig gut genährt, und mein Körper ist durch die Arbeit der letzten einundeinhalb Jahre in den Mooren der Lüneburger Heide gekräftigt. Auch habe ich gelernt ,,, unter Aufsicht zu arbeiten", das heißt trotz der unmittelbaren Bedrohung durch eine harte Bestrafung haus­hälterisch mit meinen Kräften umzugehen und stundenlang unablässig tätig zu sein, ohne mich restlos zu erschöpfen.

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