,, Nein, bestimmt nicht, wirklich nicht."

,, Schulenburg."

,, Mensch, Herrgottsakradio, Hännes, alter Schwede! Ja, jetzt erkenne ich dich! Ja, das bist du! Hännes Schulenburg! Wie geht's, wie steht's? Wo kommst du her? Wie lange bist du schon hier? Sind sonst noch Be­kannte hier? Wie ist es hier im Lager?"

Hans Schulenburg, der so abgemagert ist, daß ich ihn zunächst nicht erkannte, trotzdem ich ihn häufig genug gesehen und gesprochen habe, lächelt nur, beantwortet keine meiner sich überstürzenden Fragen und sagt statt dessen ruhig und sachlich:

,, Hast du schon einen Spindplatz?"

Als ich verneine, räumt er eine kleine Ecke in seinem Spind, in dem schon vier andere Häftlinge ihr Zeug untergebracht haben, aus, so daß ich wenigstens meine Eẞschale abstellen kann, und spricht mit seinem Tischältesten, der zwar ein wenig widerwillig, aber dann doch zustimmt, daß ich mit in seine Tischgemeinschaft aufgenommen werde. Dann sagt er:

,, Komm, laßt uns eine Zigarette rauchen."

Er nimmt mich mit in den Waschraum, weil im Tagesraum nicht ge­raucht werden darf. Zwar darf auch hier nicht geraucht werden, aber es herrscht stillschweigendes Übereinkommen unter den Häftlingen, und jeder raucht dort ,, auf eigene Gefahr". Mit kameradschaftlicher Selbst­verständlichkeit erlaubt mir Schulenburg, soviel von seinem Tabak zu rauchen wie mir beliebt. Er fragt mich weiter, ob ich Geld habe, oder ob er mir etwas geben solle, und instruiert mich kurz über alles, was ich tun müsse, um einigermaßen im Lager durchzukommen. Zum Beispiel müßte ich das Geld über zehn Mark einem anderen Häftling zur Aufbewahrung geben.

Er erweist sich in allem als guter Kamerad und ist es auch bis zur letzten Stunde geblieben, und was er mir anriet und für mich tat, war von einer solchen Selbstverständlichkeit und unbetonten Uneigennützig­keit getragen, daß es mir schier unbegreiflich wurde, daß wir jemals trotz des gemeinsamen Zieles gegeneinander gestanden haben. Gewiß, wir standen im Lager in gemeinsamer, entsetzlicher Not, aber waren jene politischen Dinge, die uns einstmals trennten, nicht im Grunde genau solche gemeinsamen und für die Menschheit noch viel entscheidenderen Notstände?! Mußte erst das ,, Schützengrabenerlebnis" über uns herein­brechen, um uns zu bedingungsloser Kameradschaft zu zwingen?!

Und so wie er, geschult durch die harte Not des Konzentrationslagers, genau wußte, was in dieser kurzen Stunde des ersten Zusammenseins das

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