ZUR EINFÜHRUNG

Der Leser hat zuvor das wohlbegründete Recht, zu wissen, wer ihm hier Bericht erstattet und weshalb ich in ein nationalsozialistisches Kon- zentrationslager eingeliefert wurde. Ich bin der Sohn eines Formers, der von Jugend auf in der gewerkschaftlichen und politischen Organisation der deutschen Arbeiterschaft führend tätig war, und wurde im Jahre 1900 geboren. In meiner Geburtsstadt Kiel besuchte ich zunächst eine Mittelschule und dann eine Oberrealschule, die ich aus finanziellen Grün- den nach Erlangung des sogenanntenEinjährigen-Zeugnisses verlassen mußte. Schon alsSchüler schloß ich mich derArbeiter-Jugend an, und hier erhielten meine früh geweckten literarischen und politischen Inter- essen die für mein Leben entscheidende Ausrichtung. Nach dem Abgang von der Schule war ich bis zur Einberufung zumMilitär als Redaktions- eleve an der Kieler Arbeiterzeitung tätig. Mit neunzehn Jahren wurde mir die Leitung einer Arbeiterzeitung in Westfalen übertragen; diese Tätigkeit verrichtete ich mit zwei längeren Unterbrechungen, die in der Hauptsache durch Studien und Auslandsreisen ausgefüllt waren, bis zum Tage meiner ersten Schutzhaft.

Am 1. März 1933 wurde ich zum ersten Male in Schutzhaft genommen. Ich sollte an diesem Tage alsStadtverordneter meines langjährigen Wohn- ortes eingeführt werden und hätte nach den damals üblichen parla- mentarischen Gepflogenheiten mit meiner Stimme eine Vertretung meiner Partei im Stadtrat ermöglicht. Um dies zu verhindern, wurde ich kurzer- hand ‚zu meiner eigenen Sicherheit verhaftet. Die Schutzhaft ver- brachte ich unter formaler Beachtung der gesetzlichen Vorschriften in einer kleinen Zelle des staatlichen Polizeigefängnisses. Sie dauerte 8 Tage.

Am 24. Juni 1933 wurde ich zum zweiten Male diesmal für 14 Tage in Schutzhaft genommen und in ein Schutzhaftlager gebracht, wo ich am eigenen Leibe erlebte, daß der Nationalsozialismus zweifellos in die

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