einem Prozeß, durch dessen Ausgang sich einige Nazi­Bonzen kompromittiert fühlten, als Zeuge aufgetreten. Vielleicht war dies der wahre Grund für seine Ver­schickung ins Lager. Franz sorgte gut für seine Kame­raden, hatte Einfälle, besaß Phantasie und entwickelte Initiative. Das weckte Ottos Eifersucht, der gegen die ,, Flügelpolitik" meckerte. Ich fürchte, es ist auf die Dauer auch mit Otto und Franz nicht gut gegangen. Aus deutschen Häftlingen seines Flügels hatte Franz ein Quartett zusammengestellt, das nach Feierabend, namentlich an Samstagen, schöne deutsche Volkslieder sang. Dazu wurde ich jeweils eingeladen, denn Franz brachte mir in steigendem Maße seine Freundschaft entgegen und vertraute mir seine geschäftlichen und persönlichen Sorgen an. Nach meiner Entlassung er­hielt ich zu meiner Überraschung einen Brief von sei­ner Mutter aus Wien . Er mußte es also verstanden ha­ben, einen Brief mit meiner Adresse unter Umgehung der Zensur aus dem Lager zu schmuggeln. Es folgte ein Briefwechsel zwischen mir und der um das Schick­sal ihres Sohnes besorgten Frau, den ich solange fort­setzte, bis Gründe der Vorsicht mir nahelegten, ihn im Interesse aller Beteiligten einzustellen. Die Briefe der Mutter sind ein erschütterndes Dokument der Sorge und der Qual, in die die Angehörigen infolge der Un­gewißheit über das Schicksal der Häftlinge versetzt wurden.

Bei Franz traf ich einmal einen Häftling, der sich als Verweyen, Professor der Psychologie an der Univer­ sität Bonn vorstellte. Er war im Lager Sprachlehrer. So etwas gab es nämlich. Er lehrte Deutsch , Englisch , Fran­zösisch und Russisch. Häftlinge, deren Arbeitseinsatz es zulieẞ, konnten an Sprachkursen teilnehmen. Hier­für kam selbstverständlich nur eine geringe Zahl in

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