ihnen in das ,, Buch" hineinzubekommen. Die Gruppe ,, Erich", die den technischen Apparat unserer Organisation darstellte, war im Besitz der notwendigen Vervielfältigungsgeräte. Sie übernahm die Herstellung. Natürlich verbot die konspirative Regel, daß irgendeine andere Gruppe von der Arbeit der Gruppe Willi" Kenntnis erhielt. Selbstverständlich kannte ich auch ,, Erich" nicht mit richtigem Namen.
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Der festgelegte Termin rückte näher. Die Spannung wuchs. Würde dieser erste Versuch gelingen? Waren alle Fehlerquellen ausgeschaltet? Eine große Gefahr schien die hemmungslose Leidenschaft, mit der sich ,, Willi" in seine Aufgabe hineinbiß. Zehn Tage vor dem festgesetzten Termin meldete er die absolute Bereitschaft seiner Gruppe zur Durchführung der Aufgabe. Die Flugblätter befanden sich in seiner Hand. Für den Leser, der niemals in seinem Leben an einer solchen Arbeit teilgenommen hat, möchte ich bemerken, daß eine im gewöhnlichen Leben so einfache Angelegenheit wie der Transport einer unscheinbaren Menge von Flugblättern unter den damaligen Umständen unvorstellbare Schwierigkeiten bereitete und die größten Gefahren für das ganze Unternehmen bringen konnte. Durch ein kompliziertes Relaissystem bei der übermittlung mußte verhindert werden, daß ein möglicherweise vorhandener Spitzel etwas von dem Vorhaben erfahren konnte. Jedenfalls war das alles glücklich gelungen. Die Niederlegung dieses getarnten Sprengkörpers in der Berliner Universitätsbibliothek durfte nur durch jemand erfolgen, der selbst mit den Vorbereitungen nicht in Verbindung gestanden hatte und über die Bedeutung dieser Aktion nur so weit unterrichtet war, wie seine Aufgabe ging. Die Auslösung der Zeitzündung wurde auf 11 Uhr vormittags eingestellt. Eine Stunde vor der Auslösung fand ein ,, Treff" zwischen dem Kameraden, der den Sprengkörper übermittelte, und dem Kameraden, der ihn niederlegen sollte, statt. Sie hatten sich vorher niemals gesehen, und es war bestimmt worden, daß sie nach erfolgter Aktion nicht wieder zusammenkommen durften. In einer kurzen Instruktion wurde dem mit der Niederlegung beauftragten Kameraden seine Aufgabe erklärt. Gleichzeitig hatten wir einem Auslandskorrespondenten, der ein zuverlässiger Gegner des Faschismus war, einen Wink gegeben, der ihm ermöglichte, eine entsprechende Notiz in die Auslandspresse zu bringen. Niemand außer den Eingeweihten von der Gruppe wußte, wann und wo die Aktion erfolgen würde. Jeder Mensch kann sich die Spannung vorstellen, die auf allen lastete. Wenn auch gerüchtweise verlautete, daß sie gelungen war, so legte sie sich erst, als in den ,, Baseler Nachrichten" am 3. August die Notiz erschien:
,, Flugblattbombe in der Berliner Universitätsbibliothek"
,, Am 1. August explodierte in den Vormittagsstunden in der Berliner Universitätsbibliothek eine Flugblattbombe. Der Inhalt der Flugblätter
lautete:
Kameraden! Brandstifter sind wie vor 20 Jahren am Werk! Durchkreuzt ihre verbrecherischen Pläne. Vereinigt Euch zum Sturze Hitlers . Kämpft mit uns für ein freies, sozialistisches Deutschland ." Das Gelingen dieser Aktion feuerte den Widerstandsgeist aller Kameraden an, und ähnliche Aktionen wurden bei der Eröffnung der Funkausstellung und anläßlich des Jahrestages der Oktoberrevolution an verschiedenen Stellen der Stadt wiederholt. Am 7. November 1934 wurden von Spezialkommandos der Polizei und Gestapo 450 Personen verhaftet. Aber keinem von ihnen konnte eine Teilnahme an diesen Aktionen nachgewiesen werden. So führten im Jahre 1934 Berliner Jungarbeiter und Studenten den Kampf gegen die faschistische Diktatur und imperialistische Kriegsgefahr. Und was tatest Du?
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