DER HEIMLICHE KAMPF DER KIRCHE
VON PROBST GRUBER
Die Kirche hat in aller Öffentlichkeit und vor aller Welt die Wahrheit zu bezeugen und' Coties Gebot zu vertreten. Sie darf nicht freiwillig den Weg in die Katakomben und in de Verborgenheit gehen. In der vergangenen Zeit hat sie diesen ihren Dienst ausgerichtet, ob in ausreichendem und zulänglichem Maße soll hier nicht entschieden werden. In Predigien, Kanzelabkündigungen und Rundschreiben haben Männer der Kirche fast als einzigste in Deutschland ihre Stimme erhoben gegen die Miẞachtung der göttlichen Gebote. Kurz nach dem Zusammenbruch wurde ein Briefwechsel zwischen Bormann und Goebbels gefunden, in dem die Frage erörtert wurde, ob man Männer wie Bischof v. Galen und Bischof Wurm, die so vernichtende Kritik an den Maßnahmen der Regierung erhoben haben, nicht einfach liquidieren sollte. Man nahm davon Abstand, um nicht Württemberg und das Münsterland im Kriege abschreiben zu müssen, da man befürchtete, daß das Volk hinter seinen Bischöfen stehen würde.- In der Tschechenkrise rief die Leitung der Bekennenden Kirche zum Gebet für den Frieden auf in der Erkenntnis, daß Gott allein den Wahnsinn der Kriegsheizer dämpfen könne. Die Männer, die für diese Arbeit verantwoartlich waren, wurden von ihrem Amt entsetzt und vor das Gericht gestellt.
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Neben diesem offenen Zeugnis steht der geheime Kampf der Kirche. War es recht, daß die Kirche einer Geheimen" Staatspolizei mit deren Mitteln antwortete und nun auch Geheimdienste mancherlei Art organisierte? Diese Frage kann nur der stellen, der die 13 Jahre als Theoretiker hinter seinem Studiertisch verbrachte. Wer seine Aufgabe in der Welt erfüllen wollte, wurde zu Mitteln und Wegen gezwungen, die er in normalen Zeiten nicht ergriffen hätte. Es war ein heimlicher Kampf für die Notleidenden und Verfolgten; es war ein heimlicher Kampf gegen Wahnsinn und Brutalität. Als die Lage der Rasseverfolgten immer drückender wurde und die Männer, die die Arbeit für die Kirche und Synagoge durchführten, im Gefängnis und KZ saßen, fanden sich hunderte ungenannte Helfer, die unter Lebensgefahr Menschen versteckten, Lebensmittelkarten sammelten oder fälschten und Ausweise besorgten. Viele haben ihren Einsatz mit dem Leben oder der Freiheit bezahlt.
Die Kirche konnte sich nicht damit begnügen, die Schäden zu beseitigen, sie mußte auch den Kampf gegen die Quellen des Ubels führen. Es handelte sich bei dem Kampf weiter Kreise in der Kirche nicht um eine politische Weisheit, die gegen eine andere gestellt wurde, sondern um die Erkenntnis, daß das, was sich Obrigkeit nannte, nicht gottgewollte Obrigkeit war, und daß man als Christ ihr nicht Gehorsam schulde, sondern zu ihrer Beseitigung beitragen müsse. Einer aus diesem Kreise derer, die aus kirchlicher Verantwortung widerstanden haben, der Legationsrat von Haeften, gab Himmler auf die Frage, wie er als Christ sich an einem Mord beteiligen könne, die Antwort: ,, Hitler ist für uns die Verkörperung des Bösen." Hunderte von Männern haben in diesem Kampf das Leben gewagt, Dutzende haben dabei Freiheit und Leben eingebüßt, manche wurden in den letzten Tagen erschossen, wie Dietrich Bonhoeffer und Justus Perels . Dietrich Bonhoeffer hatte schon im Jahre 1941 von der Schweiz aus die Verbindung mit England aufgenommen; und als im September desselben Jahres die deutsche Armee in Rußland unglaubliche Fortschritte machte, sagte er in der Schweiz zu einem kleinen Kreis ausländischer Freunde: ,, Ich bete für die Niederlage meines Landes, denn ich glaube, daß das die einzigste Möglichkeit ist, um für das ganze Leiden zu bezahlen, das mein Land in der Welt verursacht hai." Cerade diese Männer, die in der vordersten Front des Kampfes standen, fühlten schmerzhaft ihr Versagen und ihre Mitschuld vor der Welt als Glieder ihres Volkes, wie es Dietrich Bonhoeffer in den ,, Nächtlichen Stimmen" aus Tegel schreibt:
Leidensscheu und arm an Taten/ haben wir Gott vor den Menschen verraten. Wir sahen die Lüge ihr Haupt erheben/ und haben der Wahrheit nicht Ehre gegeben. Brüder sahen wir in größter Not/ und fürchteten nur den eigenen Tod.
Laẞ nach soviel Irregehen/ uns des Tages Anbruch sehen.
Aber sie wußten auch um ihr Recht gegenüber den Gewalthabern:
,, Ruhig stehen wir Mann gegen Mann/ als die Verklagten wir klagen an.
,, Bruder, wenn mir die Sonne verblich lebe du für mich."
Und sie starben mit der Gewißheit:
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,, Bruder, bis nach, langer Nacht/ unser Tag anbricht halten wir Stand."


