Mit dem Ausbruch des Krieges aber wurde die Lebenslage des Volkes mit einem Schlage auf ein Mindestmaß von Existenzvolumen heruntergedrückt, und mit dem Grade der Unerträglichkeit immer einschneidenderer Entbehrungen wuchs auch das Bedürfnis des Volkes, sich seiner Empörung Luft zu machen. Männer und Frauen mit sozialem Verantwortungsbewußtsein fanden jetzt den Mut, ihren Erkenntnissen des von der Hitler - Regierung verursachten Unglücks Ausdruck zu geben. Wenn der nationalsozialistische Staat mit der Verschärfung des Hochverratsparagraphen die Vernichtung der Widerstandsorganisationen durchzuführen gedachte, so erkannte er auch in den Äußerungen der Kritik und des Unwillens einzelner eine große Gefahr, der er durch Schaffung neuer Strafgesetze zu steuern versuchte. So entstanden die Gesetze gegen Heimtücke, Verächtlich machung des Führers und der Partei, Abhören fremder Sender, Arbeitssabotage, Begünstigung von Juden und Ausländern und gegen Zersetzung der Wehrkraft. Es gab viele dieser Einzelgänger", welche wohl wußten, daß es illegale Widerstandsgruppen gab, denen es aber nicht gelang, den Anschluß an eine solche Gruppe zu bekommen. Sie gaben aber ihren Entschluß zur Tätigkeit gegen das verderbliche nationalsozialistische Regime nicht auf, sondern ergriffen die in solcher Situation einzige Möglichkeit, als einzelner den Kampf aufzunehmen. Manchem gelang es durch nie erlahmende Aktivität und kluge politische Taktik, einen Kreis von Gleichgesinnten um sich zu scharen, der oft beachtliche Ausmaße annahm und dessen Tätigkeit zu so mancher wirksamen Aktion führte. Andere wieder lehnten es ab, Helfer für ihre Absichten heranzuziehen, um damit die Gefahr der Verhaftung auf ein Mindestmaß herabzusetzen und auch zu vermeiden, andere mit ins Unglück zu ziehen. Unschätzbar ist die Zahl derjenigen, die auf diese Art ihren Beitrag zum Kampf gegen den Nationalsozialismus leisteten, mannigfach die Gebiete, in denen sie wirkten und halfen. Es sei erinnert an alle diejenigen, die ihre Erkenntnisse in Flugblättern niederschrieben, sie ganz allein herstellten und vertrieben. Sie steckten diese Flugblätter in die Garderobenschränke der Betriebe, ließen sie in Warteräumen und Verkehrsmitteln liegen, ja, manche von ihnen fanden sogar neue Mittel des Vertriebes, durch Schleudern, Sprengkörper und vielerlei anderer, feinsinnig ausgedachter Apparate. Es sei erinnert an so manchen Arbeiter des graphischen Gewerbes, der seine berufliche Tätigkeit aus eigenem Entschluß und ganz allein in den Dienst des Widerstandes stellte. Es sei erinnert an diejenigen, die sich einen einfachen Gummistempel herstellten und nur die drei Worte ,, Nieder mit Hitler!" an die Wände drückten, oder diejenigen, die sich mit Pinsel und farbe bewaffneten und nach Bombennächten die Mahnung ,, Macht Schluß mit dem Krieg!" auf die Trümmer der Häuser malten. Es sei erinnert an die zahllosen Frauen, die den Mut besaßen, in den Schlangen vor den Läden ihrer berechtigten Empörung Luft zu machen und selbst noch bei der Verhaftung den Hitlerschergen das beispiellose Unrecht ins Gesicht schrien. Und es sei erinnert an die selbstlosen, gutherzigen Menschen, die den gehetzten und auf Schritt und Tritt mit dem Tode bedrohten rassisch Verfolgten Asyl und Ernährung gewährten. Es sei auch derer gedacht, die alles versuchten, das Sklavendasein der ausländischen Zivilarbeiter und Kriegsgefangenen zu erleichtern. Und es sei der Männer und Frauen gedacht, die unter unsagbarsten Entbehrungen und Erniedrigungen ihren durch die Nürnberger Gesetzgebung bedrohten Ehegatten die Treue hielten.
In Ehren sei auch der Soldaten und Offiziere gedacht, die, das verbrecherische Blutvergießen erkannten, die sich in Wort und Tat gegen den unmenschlichen Terror in den von den faschistischen Armeen besetzten Ländern wandten und die ihr tapferes Verhalten fast ausnahmslos mit ihrem Leben bezahlten.
Die in den Widerstandsgruppen organisierten Antifaschisten zählen alle diese Helden des Kampfes gegen das nationalsozialistische Regime mit zu ihren Kameraden. Sie haben mit ansehen müssen, wie diese Mitkämpfer ohne Prozesse, sondern nur durch ein Machtwort Himmlers in die Konzentrationslager geschleppt und dort ermordet wurden. An sie sei erinnert in gleichem ehrenden Andenken, wie an die toten Kämpfer der illegalen Widerstandsbewegung. Auch sie gehören mit zu den Helden des ,, heimlichen Deutschland ".
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