Bald klingt der Refrain im Chor, während die Schnaps­flaschen aus den Ecken gezogen werden. Zwei Homos erheben sich und wiegen sich im langsamen Dreiviertel­takt zur Melodie. Vergessen ist der Kapoknüppel, ver­gessen der Muselmann: lebt heute. Freunde, denn morgen sind wir tot_ wei weiß?

Uns würgt der Ekel. Schweigend schieben wir uns durch das Gedränge und gehen in den Schlafsaal.

In dieser Woche erreichte das KZ Neuengamme mit über 260 Toten pro Tag seinen Rekord.

Die Sirene heult. In der Finsternis des Schlafraumes regt es sich. Klappern ertönt, Gähnen und unterdrücktes Fluchen. Eine Tür wird aufgerissen, gröhlende Stimmen dröhnen durch den Raum: ,, Luftalarm! Alle Mann in den Bunker! Los, los, Tempo, Tempo! Keiner bleibt droben." Bald schieben sich die Menschenmassen durch den Block, stolpern die Treppe in die Finsternis der Lagergassen hin­unter und streben dem Bunker zu.

Kapos bilden rechts und links Spalier und treiben den zähen Menschenbrei mit Peitschenhieben zur Eile an. Geschrei erfüllt die Luft, Drohungen und Flüche, Flehen und Winseln. Es ist der reinste Hexensabbat.

Am Bunkereingang steht Lutz Pfeifer aus Berlin , der kleine gefürchtete Luftschutzkapo. In der Faust hält er einen riesigen Ochsenziemer, der unbarmherzig auf Köpfe und Rücken herniederprasselt. Man sagt, Lutz sei wahnsinnig.

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Der Bunker gleicht einer riesigen Sardinenbüchse. Eng aneinandergepreßt stehen die Figuren zum Sitzen ist kein Platz da. Bald ist die Luft zum Schneiden dick, die ersten Ohnmächtigen werden herausgeschleppt. In einer Ecke brennt eine Kerze. Die Ecke ist abgesperrt. Vier Kapos spielen dort Skat und rauchen Zigaretten.

Ein ewiges Crescendo und Decrescendo erfüllen den Raum. Gesprächsfetzen dringen ans Ohr, dort wird eifrig

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