,, Du kommst in eine schlechte Situation," nimmt Hein­rich seinen Bericht auf. Er bekleidet einen Posten im SS­Proviantamt, ist gut in anständiges Zivilzeug gekleidet und hat mir Lebensmittel und Tabak mitgebracht. Er gibt mir einen Ueberblick über die gesamten Verhältnisse in Sach­senhausen: ,, Soeben ist eine SS- Untersuchungskommission im Lager an der Arbeit. Der Lagerälteste, ein Aso, hat umfangreiche Denunziationen vom Stapel gelassen. Eine Reihe politischer Funktionäre wurde von ihren Posten als Blockälteste und Kapos abgelöst und eingesperrt. Sie sollen ein Verfahren im Zusammenhang mit dem Attentat vom 20. Juli bekommen."

Wenige Tage später wird Ernst Schneller , ehemaliges Mitglied unseres Zentralkomitees, mit 27 Funktionären auf ,, Transport" gehen. Im Lager wird man sie als Todes­kandidaten abschreiben.

,, Vorsicht, Vorsicht und nochmals Vorsicht," fährt Heinrich in seinem Bericht fort ,,, das Lager wimmelt von Spitzeln und Provokateuren. Vertraue nicht auf den roten Winkel. Auch unter den politischen Gefangenen sind korrumpierte Elemente. Jedes unbedachte Wort, besonders wenn du hier neu und unbekannt bist, kann dir Kopf und Kragen kosten."

Noch lange sprechen wir miteinander. Von Heinrich erfahre ich auch, daß Lambert Horn , unser kommunisti­scher Führer vom Niederrhein , tot ist.

Vor allem aber erhalte ich Einblick in die politische Vorgeschichte der Konzentrationslager.

Nicht überall liegen die Verhältnisse so wie hier. In allen Lägern hatten unsere Funktionäre den Kampf auf­genommen, um die Kommandostellen der Häftlings­Selbstverwaltung zu erobern. In einigen Buchenwald

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z. B. in

war es ihnen gelungen, die wichtigsten Posten zu besetzen und den kriminellen Einfluß zurück­zudrängen. Auch Sachsenhausen stand längere Zeit unter

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