Dann stehe ich vor dem Gewaltigen persönlich. Es ist unser erstes Zusammentreffen.

Er ist ein noch junger Mann mit sympathischen Ge­sichtszügen. Seine leichte bayerische Mundart verleiht ihm in meinen Augen etwas fast möchte ich sagen

Landsmannschaftliches.

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Aber ich werde übel empfangen.

,, Es liegt eine Anzeige gegen Sie vor, Strafgefangener Goguel, daß Sie sich am 1. Oktober die Pulsader aufge­schnitten haben. Während unsere Soldaten draußen an der Front liegen, haben Sie keine anderen Sorgen, als hier mit Ihrem Leben zu spielen! Man sollte Sie in Arrest sperren und überhaupt nicht mehr herauslassen! Schämen Sie sich überhaupt nicht?"

,, Herr Regierungsrat, ich habe keineswegs mit meinem Leben gespielt," erwidere ich.

Er scheint mich für irrsinnig zu halten.

,, Wie nennen's denn das, sich die Pulsader aufzu­schneiden? Wollen's etwa abstreiten, daß Sie das in selbstmörderischer Absicht getan haben?" fährt er mich grob an.

,, Meine medizinischen Kenntnisse sind ausreichend, so daß nichts Ernstliches passieren konnte."

Meine Antworten scheinen ihm unerwartet zu kommen. Er hatte wahrscheinlich einen von Verzweiflung getriebe­nen Selbstmörder erwartet.

Ich

,, Also, was wollten Sie denn damit bezwecken?" glaube, ein gewisses berufliches Interesse bei ihm fest­stellen zu können.

,, Die Sache ist so, Herr Regierungsrat," erläutere ich meinen Standpunkt sachlich, ,, nachdem mich der Erste Hauptwachtmeister Hentrich im Keller schwer miẞhandelt hat, standen mir zwei Wege offen. Der erste war der Beschwerdeweg...!"

,, Und warum sind's denn den nicht gegangen? Haben's etwa kein Vertrauen zu mir?" unterbricht er mich.

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